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Weg zur Arbeit by Tim Fischer Lyrics

Genre: pop | Year: 2007

Jeden Morgen gehe ich, zirka acht Minuten lang
Ausser wenn ich krank bin, in diese Kanzlei
Winn ich mich so umsehe bin ich nicht der einzige –
Für die meisten Leute geht das Leben so vorbei!
Ich grüße freundlich die Verkäuf'rin meiner Zeitung
Sie hat es schwer jetzt seit diesem grausigen Prozess –
Ihr Mann ist eingesperrt wegen so mancher Überschreitung!
Sie wurde freigesprochen, denn sie war nicht in der SS –
Obwohl sie alles mitmachte!

Und ich grüße ebenso den Friseurgehilfen Niedermeyer
Der auch in der SS war – oder war es die SA?
Einmal hat er angedeutet, während er mir die Haare schnitt
Was damals in Dachau mit dem Rosenblatt geschah!
Er war erst zwanzig – acht Jahre jünger als der Rosenblatt!
Jetzt ist er fünfundzwanzig und ein sehr höflicher Friseur!
"Guten Tag, Herr Hauptmann!" - Der heißt nur Hauptmann –
Er war Oberst und hat in Frankreich einige zu Tode expediert!
Er ist noch immer Spediteur – es hat sich nichts geändert!

Drüben macht der Kindermann seinen Bücherladen auf –
Ich seh' ihn noch jetzt vor mir, er ist damals so gerannt
Und hat direkt vor seinem Schaufenster einen Scheiterhaufen aufgestellt
Und hat darauf Thomas Mann und Lion Feuchtwanger verbrannt
Und Erich Kästner und den Kafka und den Heine
Und viele andere, die jetzt sein Schaufenster verzier'n!
Und er verkauft sie mit einem Lächeln an der Leine
Tja, er muss leben und seine Kinder wollen studier'n –
Er hat ja selbst den Doktor!
"Guten Morgen, Herr Professor - Wie geht's der Frau Gemahlin?
Danke! – Sie seh'n blendend aus – wie bleiben Sie so jung?"
Das war Professor Töpfer, seinerzeit "Völkischer Beobachter"
Anthropologie und Rassenkunde. Jetzt ist er beim Funk!
"Gut'n Morgen, Herr Neumann!" - Der ist nichts, der ist erst zwanzig
Was war sein Vater? Hm, jedenfalls Soldat!
"Ah, guten Morgen, Herr Direktor!" - Der ist gute fünfundsechzig
Also muss er was gewesen sein. Heute ist er Demokrat -
Das sind wir jetzt alle!

Drüben ist der Eichelberger, Gummibänder, Hosenträger –
Das hieß früher Blau und Söhne, Herrentrikotage!
Nebenan war das Café Winkelmann. Der Winkelmann ist noch zurückgekommen
Dann ist er wieder weggefahren – jetzt ist dort eine Garage!
Da kommt die Schule, da bin ich selber hingegangen!
Mein Deutschprofessor bezieht noch immer dort Gehalt
Der schrie: "Heil Hitler!" – das wird er heute nicht mehr schrei'n!
Was nur die Kinder bei dem lernen? Vielleicht vergessen sie es bald –
Ich kann es nicht vergessen!

So, jetzt bin ich endlich in die Kanzlei gekommen
Setz' mich an den Schreibtisch und öffne einen Brief –
Doch bevor ich lesen kann, muss ich erst die Richtung ändern
Blicke rasch zum Himmel auf und atme dreimal tief