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Torquato Tasso - Kapitel 3 by Johann Wolfgang von Goethe Lyrics

Genre: misc | Year: 1790

                                             Zweyter Aufzug.
                                               Erster Auftritt.

                                                      Saal.

                                          Prinzessinn. Tasso.

Tasso.
Unsicher folgen meine Schritte dir, O Fürstinn, und Gedanken ohne Maß Und Ordnung regen sich in meiner Seele. Mir scheint die Einsamkeit zu winken, mich Gefällig anzulispeln: komm, ich löse Die neu erregten Zweifel deiner Brust. Doch werf' ich einen Blick auf dich, vernimmt Mein horchend Ohr ein Wort von deiner Lippe, So wird ein neuer Tag um mich herum Und alle Bande fallen von mir los. Ich will dir gern gestehn, es hat der Mann, Der unerwartet zu uns trat, nicht sanft Aus einem schönen Traum mich aufgeweckt; Sein Wesen, seine Worte haben mich So wunderbar getroffen, daß ich mehr Als je mich doppelt fühle, mit mir selbst Auf's neu' in streitender Verwirrung bin.

Prinzessinn.
Es ist unmöglich, daß ein alter Freund, Der lang' entfernt ein fremdes Leben führte, Im Augenblick da er uns wiedersieht Sich wieder gleich wie ehmals finden soll. Er ist in seinem Innern nicht verändert; Laß uns mit ihm nur wenig Tage leben, So stimmen sich die Saiten hin und wieder, Bis glücklich eine schöne Harmonie Auf's neue sie verbindet. Wird er dann Auch näher kennen was du diese Zeit Geleistet hast: so stellt er dich gewiß Dem Dichter an die Seite, den er jetzt Als einen Riesen dir entgegen stellt.

Tasso.
Ach meine Fürstinn, Ariostens Lob Aus seinem Munde hat mich mehr ergetzt Als daß es mich beleidigt hätte. Tröstlich Ist es für uns den Mann gerühmt zu wissen, Der als ein großes Muster vor uns steht. Wir können uns im stillen Herzen sagen: Erreichst du einen Theil von seinem Werth, Bleibt dir ein Theil auch seines Ruhms gewiß. Nein, was das Herz im tiefsten mir bewegte, Was mir noch jetzt die ganze Seele füllt, Es waren die Gestalten jener Welt, Die sich lebendig, rastlos, ungeheuer Um Einen großen, einzig klugen Mann Gemessen dreht und ihren Lauf vollendet, Den ihr der Halbgott vorzuschreiben wagt. Begierig horcht' ich auf, vernahm mit Lust Die sichern Worte des erfahrnen Mannes; Doch ach! je mehr ich horchte, mehr und mehr Versank ich vor mir selbst, ich fürchtete Wie Echo an den Felsen zu verschwinden, Ein Wiederhall, ein Nichts mich zu verlieren.

Prinzessinn.
Und schienst noch kurz vorher so rein zu fühlen, Wie Held und Dichter für einander leben, Wie Held und Dichter sich einander suchen, Und keiner je den andern neiden soll? Zwar herrlich ist die liedeswerthe That, Doch schön ist's auch, der Thaten stärkste Fülle Durch würd'ge Lieder auf die Nachwelt bringen. Begnüge dich aus einem kleinen Staate, Der dich beschützt, dem wilden Lauf der Welt, Wie von dem Ufer, ruhig zuzusehn.

Tasso.
Und sah' ich hier mit Staunen nicht zuerst, Wie herrlich man den tapfern Mann belohnt? Als unerfahrner Knabe kam ich her, In einem Augenblick, da Fest auf Fest Ferrara zu dem Mittelpunct der Ehre Zu machen schien. O! welcher Anblick war's! Den weiten Platz, auf dem in ihrem Glanze Gewandte Tapferkeit sich zeigen sollte, Umschloß ein Kreis, wie ihn die Sonne nicht So bald zum zweytenmal bescheinen wird. Es saßen hier gedrängt die schönsten Frauen, Gedrängt die ersten Männer unsrer Zeit. Erstaunt durchlief der Blick die edle Menge; Man rief: Sie alle hat das Vaterland, Das Eine, schmale, meerumgebne Land, Hierher geschickt. Zusammen bilden sie Das herrlichste Gericht, das über Ehre, Verdienst und Tugend je entschieden hat. Gehst du sie einzeln durch, du findest keinen, Der seines Nachbarn sich zu schämen brauche! – Und dann eröffneten die Schranken sich. Da stampften Pferde, glänzten Helm und Schilde, Da drängten sich die Knappen, da erklang Trompetenschall, und Lanzen krachten splitternd, Getroffen tönten Helm und Schilde, Staub, Auf einen Augenblick, umhüllte wirbelnd Des Siegers Ehre, des Besiegten Schmach. O laß mich einen Vorhang vor das ganze, Mir allzu helle Schauspiel ziehen, daß In diesem schönen Augenblicke mir Mein Unwerth nicht zu heftig fühlbar werde.
Prinzessinn.
Wenn jener edle Kreis, wenn jene Thaten Zu Müh und Streben damals dich entflammten, So konnt' ich, junger Freund, zu gleicher Zeit Der Duldung stille Lehre dir bewähren. Die Feste, die du rühmst, die hundert Zungen Mir damals priesen und mir manches Jahr Nachher gepriesen haben, sah' ich nicht. Am stillen Ort wohin kaum unterbrochen Der letzte Wiederhall der Freude sich Verlieren konnte, mußt' ich manche Schmerzen Und manchen traurigen Gedanken leiden. Mit breiten Flügeln schwebte mir das Bild Des Todes vor den Augen, deckte mir Die Aussicht in die immer neue Welt. Nur nach und nach entfernt' es sich, und ließ Mich, wie durch einen Flor, die bunten Farben Des Lebens, blaß doch angenehm, erblicken. Ich sah' lebend'ge Formen wieder sanft sich regen. Zum erstenmal trat ich, noch unterstützt Von meinen Frauen, aus dem Krankenzimmer, Da kam Lukretia voll frohen Lebens Herbey und führte dich an ihrer Hand. Du warst der erste, der im neuen Leben Mir neu und unbekannt entgegen trat. Da hofft' ich viel für dich und mich, auch hat Uns bis hierher die Hoffnung nicht betrogen.

Tasso.
Und ich, der ich betäubt von dem Gewimmel Des drängenden Gewühls, von so viel Glanz Geblendet, und von mancher Leidenschaft Bewegt, durch stille Gänge des Pallasts An deiner Schwester Seite schweigend ging, Dann in das Zimmer trat, wo du uns bald Auf deine Frau'n gelehnt erschienest – Mir Welch ein Moment war dieser! O! Vergib! Wie den Bezauberten von Rausch und Wahn Der Gottheit Nähe leicht und willig heilt; So war auch ich von aller Phantasie, Von jeder Sucht, von jedem falschen Triebe Mit Einem Blick in deinen Blick geheilt. Wenn unerfahren die Begierde sich Nach tausend Gegenständen sonst verlor, Trat ich beschämt zuerst in mich zurück, Und lernte nun das Wünschenswerthe kennen. So sucht man in dem weiten Sand des Meers Vergebens eine Perle, die verborgen In stillen Schalen eingeschlossen ruht.

Prinzessinn.
Es fingen schöne Zeiten damals an, Und hätt' uns nicht der Herzog von Urbino Die Schwester weggeführt, uns wären Jahre Im schönen ungetrübten Glück verschwunden. Doch leider jetzt vermissen wir zu sehr Den frohen Geist, die Brust voll Muth und Leben, Den reichen Witz der liebenswürd'gen Frau.

Tasso.
Ich weiß es nur zu wohl, seit jenem Tage Da sie von hinnen schied, vermochte dir Die reine Freude niemand zu ersetzen. Wie oft zerriß es meine Brust! Wie oft Klagt' ich dem stillen Hain mein Leid um dich! Ach! rief ich aus, hat denn die Schwester nur Das Glück, das Recht, der Theuern viel zu seyn? Ist denn kein Herz mehr werth, daß sie sich ihm Vertrauen dürfte, kein Gemüth dem ihren Mehr gleich gestimmt? Ist Geist und Witz verloschen? Und war die Eine Frau, so trefflich sie Auch war, denn alles? Fürstinn! o verzeih'! Da dacht' ich manchmal an mich selbst und wünschte Dir etwas seyn zu können. Wenig nur, Doch etwas, nicht mit Worten, mit der That Wünscht' ich's zu seyn, im Leben dir zu zeigen, Wie sich mein Herz im Stillen dir geweiht. Doch es gelang mir nicht, und nur zu oft That ich im Irrthum was dich schmerzen mußte, Beleidigte den Mann, den du beschütztest, Verwirrte unklug was du lösen wolltest, Und fühlte so mich stets im Augenblick, Wenn ich mich nahen wollte, fern und ferner.

Prinzessinn.
Ich habe, Tasso, deinen Willen nie Verkannt, und weiß wie du dir selbst zu schaden Geschäftig bist. Anstatt daß meine Schwester Mit jeden, wie er sey, zu leben weiß, So kannst du selbst nach vielen Jahren kaum In einen Freund dich finden.

Tasso.
Tadle mich! Doch sage mir hernach, wo ist der Mann? Die Frau? mit der ich wie mit dir Aus freyem Busen wagen darf zu reden.

Prinzessinn.
Du solltest meinem Bruder dich vertraun.

Tasso.
Er ist mein Fürst! – Doch glaube nicht, daß mir Der Freyheit wilder Trieb den Busen blähe. Der Mensch ist nicht geboren frey zu seyn, Und für den Edeln ist kein schöner Glück, Als einen Fürsten, den er ehrt, zu dienen. Und so ist er mein Herr, und ich empfinde Den ganzen Umfang dieses großen Worts. Nun muß ich schweigen lernen wenn er spricht, Und thun wenn er gebiethet, mögen auch Verstand und Herz ihm lebhaft widersprechen.

Prinzessinn.
Das ist der Fall bey meinem Bruder nie. Und nun, da wir Antonio wieder haben, Ist dir ein neuer kluger Freund gewiß.
Tasso.
Ich hofft' es ehmals, jetzt verzweifl' ich fast. Wie lehrreich wäre mir sein Umgang, nützlich Sein Rath in tausend Fällen! Er besitzt, Ich mag wohl sagen, alles was mir fehlt. Doch – haben alle Götter sich versammelt Geschenke seiner Wiege darzubringen? Die Grazien sind leider ausgeblieben, Und wem die Gaben dieser Holden fehlen, Der kann zwar viel besitzen, vieles geben, Doch läßt sich nie an seinem Busen ruhn.

Prinzessinn.
Doch läßt sich ihm vertraun, und das ist viel. Du mußt von Einem Mann nicht alles fordern, Und dieser leistet was er dir verspricht. Hat er sich erst für deinen Freund erklärt, So sorgt er selbst für dich wo du dir fehlst. Ihr müßt verbunden seyn! Ich schmeichle mir Dieß schöne Werk in kurzem zu vollbringen. Nur widerstehe nicht wie du es pflegst! So haben wir Lenoren lang' besessen, Die fein und zierlich ist, mit der es leicht Sich leben läßt; auch dieser hast du nie, Wie sie es wünschte, näher treten wollen.

Tasso.
Ich habe dir gehorcht, sonst hätt' ich mich Von ihr entfernt anstatt mich ihr zu nahen. So liebenswürdig sie erscheinen kann, Ich weiß nicht wie es ist, konnt' ich nur selten Mit ihr ganz offen seyn, und wenn sie auch Die Absicht hat, den Freunden wohlzuthun, So fühlt man Absicht und man ist verstimmt.

Prinzessinn.
Auf diesem Wege werden wir wohl nie Gesellschaft finden, Tasso! Dieser Pfad Verleitet uns durch einsames Gebüsch, Durch stille Thäler fortzuwandern; mehr Und mehr verwöhnt sich das Gemüth, und strebt Die goldne Zeit, die ihm von außen mangelt, In seinem Innern wieder herzustellen, So wenig der Versuch gelingen will.

Tasso.
O welches Wort spricht meine Fürstinn aus! Die goldne Zeit wohin ist sie geflohn? Nach der sich jedes Herz vergebens sehnt! Da auf der freyen Erde Menschen sich Wie frohe Herden im Genuß verbreiteten; Da ein uralter Baum auf bunter Wiese Dem Hirten und der Hirtinn Schatten gab, Ein jüngeres Gebüsch die zarten Zweige Um sehnsuchtsvolle Liebe traulich schlang; Wo klar und still auf immer reinem Sande Der weiche Fluß die Nymphe sanft umfing; Wo in dem Grase die gescheuchte Schlange Unschädlich sich verlor, der kühne Faun Vom tapfern Jüngling bald bestraft entfloh; Wo jeder Vogel in der freyen Luft Und jedes Thier durch Berg und Thäler schweifend Zum Menschen sprach: erlaubt ist was gefällt.

Prinzessinn.
Mein Freund, die goldne Zeit ist wohl vorbey: Allein die Guten bringen sie zurück; Und soll ich dir gestehen wie ich denke, Die goldne Zeit, womit der Dichter uns Zu schmeicheln pflegt, die schöne Zeit, sie war, So scheint es mir, so wenig als sie ist, Und war sie je, so war sie nur gewiß, Wie sie uns immer wieder werden kann. Noch treffen sich verwandte Herzen an Und theilen den Genuß der schönen Welt; Nur in dem Wahlspruch ändert sich, mein Freund, Ein einzig Wort: erlaubt ist was sich ziemt.

Tasso.
O wenn aus guten, edlen Menschen nur Ein allgemein Gericht bestellt entschiede, Was sich denn ziemt! Anstatt daß jeder glaubt, Es sey auch schicklich was ihm nützlich ist. Wir sehn ja, dem Gewaltigen, dem Klugen Steht alles wohl, und er erlaubt sich alles.

Prinzessinn.
Willst du genau erfahren was sich ziemt; So frage nur bey edlen Frauen an. Denn ihnen ist am meisten dran gelegen, Daß alles wohl sich zieme was geschieht. Die Schicklichkeit umgibt mit einer Mauer Das zarte leicht verletzliche Geschlecht. Wo Sittlichkeit regiert, regieren sie, Und wo die Frechheit herrscht, da sind sie nichts. Und wirst du die Geschlechter beyde fragen: Nach Freyheit strebt der Mann, das Weib nach Sitte.

Tasso.
Du nennest uns unbändig, roh, gefühllos?
Prinzessinn.
Nicht das! Allein ihr strebt nach fernen Gütern, Und euer Streben muß gewaltsam seyn. Ihr wagt es, für die Ewigkeit zu handeln, Wenn wir ein einzig nah beschränktes Gut Auf dieser Erde nur besitzen möchten, Und wünschen, daß es uns beständig bliebe. Wir sind von keinem Männerherzen sicher, Das noch so warm sich einmal uns ergab. Die Schönheit ist vergänglich, die ihr doch Allein zu ehren scheint. Was übrig bleibt, Das reitzt nicht mehr, und was nicht reitzt, ist todt. Wenn's Männer gäbe, die ein weiblich Herz Zu schätzen wüßten, die erkennen möchten, Welch einen holden Schatz von Treu' und Liebe Der Busen einer Frau bewahren kann, Wenn das Gedächtniß einzig schöner Stunden In euren Seelen lebhaft bleiben wollte, Wenn euer Blick, der sonst durchdringend ist, Auch durch den Schleyer dringen könnte, den Uns Alter oder Krankheit überwirft, Wenn der Besitz, der ruhig machen soll, Nach fremden Gütern euch nicht lüstern machte: Dann wär' uns wohl ein schöner Tag erschienen, Wir feierten dann unsre goldne Zeit.

Tasso.
Du sagst mir Worte, die in meiner Brust Halb schon entschlafne Sorgen mächtig regen.

Prinzessinn.
Was meinst du, Tasso? rede frey mit mir.

Tasso.
Oft hört' ich schon, und diese Tage wieder Hab' ich's gehört, ja hätt' ich's nicht vernommen, So müßt' ich's denken: edle Fürsten streben Nach deiner Hand! Was wir erwarten müssen, Das fürchten wir und möchten schier verzweifeln, Verlassen wirst du uns, es ist natürlich; Doch wie wir's tragen wollen, weiß ich nicht.

Prinzessinn.
Für diesen Augenblick seyd unbesorgt!
Fast möcht' ich sagen: unbesorgt für immer. Hier bin ich gern und gerne mag ich bleiben; Noch weiß ich kein Verhältniß, das mich lockte; Und wenn ihr mich denn ja behalten wollt, So laßt es mir durch Eintracht sehn, und schafft Euch selbst ein glücklich Leben, mir durch euch.

Tasso.
O lehre mich das Mögliche zu thun! Gewidmet sind dir alle meine Tage. Wenn dich zu preisen, dir zu danken sich Mein Herz entfaltet, dann empfind' ich erst Das reinste Glück, das Menschen fühlen können. Das göttlichste erfuhr ich nur in dir. So unterscheiden sich die Erdengötter Vor andern Menschen, wie das hohe Schicksal Vom Rath und Willen selbst der klügsten Männer Sich unterscheidet. Vieles lassen sie, Wenn wir gewaltsam Wog' auf Woge sehn, Wie leichte Wellen, unbemerkt vorüber Vor ihren Füßen rauschen, hören nicht Den Sturm, der uns umsaus't und niederwirft, Vernehmen unser Flehen kaum, und lassen, Wie wir beschränkten armen Kindern thun, Mit Seufzern und Geschrey die Luft uns füllen. Du hast mich oft, o Göttliche, geduldet, Und wie die Sonne, trocknete dein Blick Den Thau von meinen Augenliedern ab.

Prinzessinn.
Es ist sehr billig, daß die Frauen dir Auf's freundlichste begegnen, es verherrlicht Dein Lied auf manche Weise das Geschlecht. Zart oder tapfer, hast du stets gewußt Sie liebenswerth und edel vorzustellen: Und wenn Armide hassenswerth erscheint, Versöhnt ihr Reitz und ihre Liebe bald.

Tasso.
Was auch in meinem Liede wiederklingt, Ich bin nur Einer, Einer alles schuldig!Es schwebt kein geistig unbestimmtes BildVor meiner Stirne, das der Seele baldSich überglänzend nahte, bald entzöge.Mit meinen Augen hab' ich es gesehn, Das Urbild jeder Tugend, jeder Schöne;Was ich nach ihm gebildet, das wird bleiben: Tancredens Heldenliebe zu Chlorinden,Erminiens stille nicht bemerkte Treue,Sophroniens Großheit und Olindens Noth. Es sind nicht Schatten, die der Wahn erzeugte,Ich weiß es, sie sind ewig, denn sie sind.Und was hat mehr das Recht, JahrhunderteZu bleiben und im Stillen fortzuwirken, Als das Geheimniß einer edlen Liebe,Dem holden Lied bescheiden anvertraut?

Prinzessinn.
Und soll ich dir noch einen Vorzug sagen,Den unvermerkt sich dieses Lied erschleicht?Es lockt uns nach und nach, wir hören zu,Wir hören und wir glauben zu verstehn,Was wir verstehn, das können wir nicht tadeln,Und so gewinnt uns dieses Lied zuletzt.

Tasso.
Welch einen Himmel öffnest du vor mir,O Fürstinn! Macht mich dieser Glanz nicht blind,So seh' ich unverhofft ein ewig Glück Auf goldnen Strahlen herrlich niedersteigen.

Prinzessinn.
Nicht weiter, Tasso! Viele Dinge sind's,Die wir mit Heftigkeit ergreifen sollen: Doch andre können nur durch Mäßigung Und durch Entbehren unser eigen werden.So sagt man, sey die Tugend, sey die Liebe, Die ihr verwandt ist. Das bedenke wohl!

                                             Zweyter Auftritt.

Tasso.
Ist dir's erlaubt die Augen aufzuschlagen? Wagst du's umherzusehn? Du bist allein! Vernahmen diese Säulen was sie sprach? Und hast du Zeugen, diese stumme Zeugen Des höchsten Glücks zu fürchten? Es erhebt Die Sonne sich des neuen Lebenstages, Der mit den vorigen sich nicht vergleicht. Hernieder steigend hebt die Göttinn schnell Den Sterblichen hinauf. Welch neuer Kreis Entdeckt sich meinem Auge, welches Reich! Wie köstlich wird der heiße Wunsch belohnt! Ich träumte mich dem höchsten Glücke nah, Und dieses Glück ist über alle Träume. Der Blindgeborne denke sich das Licht, Die Farben wie er will, erscheinet ihm Der neue Tag, ist's ihm ein neuer Sinn. Voll Muth und Ahndung, freudetrunken, schwankend Betret' ich diese Bahn. Du gibst mir viel, Du gibst, wie Erd' und Himmel uns Geschenke Mit vollen Händen übermäßig reichen, Und forderst wieder, was von mir zu fordern Nur eine solche Gabe dich berechtigt. Ich soll entbehren, soll mich mäßig zeigen, Und so verdienen, daß du mir vertraust. Was that ich je, daß sie mich wählen konnte? Was soll ich thun, um ihrer werth zu seyn? Sie konnte dir vertraun und dadurch bist du's. Ja, Fürstinn, deinen Worten, deinen Blicken Sey ewig meine Seele ganz geweiht! Ja, fordre was du willst, denn ich bin dein! Sie sende mich, Müh' und Gefahr und Ruhm In fernen Landen aufzusuchen, reiche Im stillen Hain die goldne Leyer mir, Sie weihe mich der Ruh' und ihrem Preis: Ihr bin ich, bildend soll sie mich besitzen; Mein Herz bewahrte jeden Schatz für Sie. O hätt' ein tausendfaches Werkzeug mir Ein Gott gegönnt, kaum drückt' ich dann genug Die unaussprechliche Verehrung aus. Des Mahlers Pinsel und des Dichters Lippe, Die süßeste, die je von frühem Honig Genährt war, wünscht' ich mir. Nein, künftig soll Nicht Tasso zwischen Bäumen, zwischen Mensch Sich einsam, schwach und trübgesinnt verlieren! Er ist nicht mehr allein, er ist mit Dir. O daß die edelste der Thaten sich Hier sichtbar vor mich stellte, rings umgeben Von gräßlicher Gefahr! Ich dränge zu Und wagte gern das Leben, das ich nun Von ihren Händen habe – forderte Die besten Menschen mir zu Freunden auf, Unmögliches mit einer edeln Schaar Nach Ihrem Wink und Willen zu vollbringen. Voreiliger, warum verbarg dein Mund Nicht das was du empfandst, bis du dich werth Und werther ihr zu Füßen legen konntest? Das war dein Vorsatz, war dein kluger Wunsch. Doch sey es auch! Viel schöner ist es, rein Und unverdient ein solch Geschenk empfangen, Als halb und halb zu wähnen, daß man wohl Es habe fordern dürfen. Blicke freudig, Es ist so groß, so weit, was vor dir liegt! Und hoffnungsvolle Jugend lockt dich wieder In unbekannte, lichte Zukunft hin. – Schwelle Brust! – O Witterung des Glücks Begünst'ge diese Pflanze doch einmal! Sie strebt gen Himmel, tausend Zweige dringen Aus ihr hervor, entfalten sich zu Blüthen. O daß sie Furcht, o daß sie Freuden bringe! Daß eine liebe Hand den goldnen Schmuck Aus ihren frischen reichen Ästen breche!

                                             Dritter Auftritt.
                                               Tasso. Antonio.

Tasso.
Sey mir willkommen, den ich gleichsam jetzt Zum erstenmal erblicke! Schöner ward Kein Mann mir angekündigt. Sey willkommen! Dich kenn' ich nun und deinen ganzen Werth, Dir biet' ich ohne Zögern Herz und Hand, Und hoffe, daß auch du mich nicht verschmähst.

Antonio.
Freygebig bietest du mir schöne Gaben, Und ihren Werth erkenn' ich wie ich soll, Drum laß mich zögern eh' ich sie ergreife. Weiß ich doch nicht, ob ich dir auch dagegen Ein gleiches geben kann. Ich möchte gern Nicht übereilt und nicht undankbar scheinen: Laß mich für beyde klug und sorgsam seyn.

Tasso.
Wer wird die Klugheit tadeln? Jeder Schritt Des Lebens zeigt wie sehr sie nöthig sey; Doch schöner ist's, wenn uns die Seele sagt Wo wir der feinen Vorsicht nicht bedürfen.

Antonio.
Darüber frage jeder sein Gemüth, Weil er den Fehler selbst zu büßen hat.

Tasso.
So sey's! Ich habe meine Pflicht gethan, Der Fürstinn Wort, die uns zu Freunden wünscht, Hab' ich verehrt und mich dir vorgestellt. Rückhalten durft' ich nicht, Antonio; doch gewiß, Zudringen will ich nicht. Es mag denn seyn. Zeit und Bekanntschaft heißen dich vielleicht Die Gabe wärmer fodern, die du jetzt So kalt bey Seite lehnst und fast verschmähst.

Antonio.
Der Mäßige wird öfters kalt genannt Von Menschen, die sich warm vor andern glauben, Weil sie die Hitze fliegend überfällt.

Tasso.
Du tadelst was ich tadle, was ich melde. Auch ich verstehe wohl, so jung ich bin, Der Heftigkeit die Dauer vorzuziehn.

Antonio.
Sehr weislich! Bleibe stets auf diesem Sinne.

Tasso.
Du bist berechtigt mir zu rathen, mich Zu warnen, denn es steht Erfahrung dir Als lang' erprobte Freundinn an der Seite. Doch glaube nur, es horcht ein stilles Herz Auf jedes Tages, jeder Stunde Warnung, Und übt sich ingeheim an jedem Guten, Das deine Strenge neu zu lehren glaubt.

Antonio.
Es ist wohl angenehm, sich mit sich selbst Beschäft'gen, wenn es nur so nützlich wäre. Inwendig lernt kein Mensch sein Innerstes Erkennen. Denn er mißt nach eignem Maß Sich bald zu klein und leider oft zu groß. Der Mensch erkennt sich nur im Menschen, nur Das Leben lehret jedem was er sey.

Tasso.
Mit Beyfall und Verehrung hör' ich dich.

Antonio.
Und dennoch denkst du wohl bey diesen Worten Ganz etwas anders, als ich sagen will.

Tasso.
Auf diese Weise rücken wir nicht näher. Es ist nicht klug, es ist nicht wohl gethan, Vorsetzlich einen Menschen zu verkennen, Er sey auch wer er sey. Der Fürstinn Wort Bedurft' es kaum, leicht hab' ich dich erkannt: Ich weiß, daß du das Gute willst und schaffst. Dein eigen Schicksal läßt dich unbesorgt, An Andre denkst du, Andern stehst du bey, Und auf des Lebens leicht bewegter Woge Bleibt dir ein stetes Herz. So seh' ich dich. Und was wär' ich, ging ich dir nicht entgegen? Sucht' ich begierig nicht auch einen Theil An dem verschloßnen Schatz, den du bewahrst? Ich weiß, es reut dich nicht, wenn du dich öffnest; Ich weiß, du bist mein Freund, wenn du mich kennst: Und eines solchen Freunds bedurft' ich lange. Ich schäme mich der Unerfahrenheit Und meiner Jugend nicht. Still ruhet noch Der Zukunft goldne Wolke mir um's Haupt. O nimm mich, edler Mann, an deine Brust, Und weihe mich, den Raschen, Unerfahrnen, Zum mäßigen Gebrauch des Lebens ein.
Antonio.
In Einem Augenblicke forderst du, Was wohlbedächtig nur die Zeit gewährt.

Tasso.
In Einem Augenblick gewährt die Liebe, Was Mühe kaum in langer Zeit erreicht. Ich bitt' es nicht von dir, ich darf es fodern. Dich ruf ich in der Tugend Namen auf, Die gute Menschen zu verbinden eifert. Und soll ich dir noch einen Namen nennen? Die Fürstinn hofft's, Sie will's – Eleonore, Sie will mich zu dir führen, dich zu mir. O laß uns ihrem Wunsch entgegen gehn! Laß uns verbunden vor die Göttinn treten, Ihr unsern Dienst, die ganze Seele biethen, Vereint für sie das Würdigste zu thun. Noch einmal! – Hier ist meine Hand! Schlag' ein! Tritt nicht zurück und weigre dich nicht länger, O edler Mann, und gönne mir die Wollust, Die schönste guter Menschen, sich dem Bessern Vertrauend ohne Rückhalt hinzugeben!


Antonio.
Du gehst mit vollen Segeln! Scheint es doch, Du bist gewohnt zu siegen, überall Die Wege breit, die Pforten weit zu finden. Ich gönne jeden Werth und jedes Glück Dir gern, allein ich sehe nur zu sehr, Wir stehn zu weit noch von einander ab.

Tasso.
Es sey an Jahren, an geprüftem Werth: An frohem Muth und Willen weich' ich keinem.

Antonio.
Der Wille lockt die Thaten nicht herbey; Der Muth stellt sich die Wege kürzer vor. Wer angelangt am Ziel ist, wird gekrönt, Und oft entbehrt ein Würd'ger eine Krone. Doch gibt es leichte Kränze, Kränze gibt es Von sehr verschiedner Art, sie lassen sich Oft im Spazierengehn bequem erreichen.

Tasso.
Was eine Gottheit diesem frey gewährt Und jenem streng versagt, ein solches Gut Erreicht nicht jeder wie er will und mag.

Antonio.
Schreib' es dem Glück vor andern Göttern zu, So hör' ich's gern, denn seine Wahl ist blind.

Tasso.
Auch die Gerechtigkeit trägt eine Binde Und schließt die Augen jedem Blendwerk zu.

Antonio.
Das Glück erhebe billig der Beglückte! Er dicht' ihm hundert Augen für's Verdienst Und kluge Wahl und strenge Sorgfalt an, Nenn' es Minerva, nenn' es wie er will, Er halte gnädiges Geschenk für Lohn, Zufälligen Putz für wohlverdienten Schmuck.

Tasso.
Du brauchst nicht deutlicher zu seyn. Es ist genug! Ich blicke tief dir in das Herz und kenne Für's ganze Leben dich. O kennte so Dich meine Fürstinn auch! Verschwende nicht Die Pfeile deiner Augen, deiner Zunge! Du richtest sie vergebens nach dem Kranze, Dem unverwelklichen, auf meinem Haupt. Sey erst so groß, mir ihn nicht zu beneiden! Dann darfst du mir vielleicht ihn streitig machen. Ich acht' ihn heilig und das höchste Gut: Doch zeige mir den Mann, der das erreicht, Wornach ich strebe, zeige mir den Helden, Von dem mir die Geschichten nur erzählten; Den Dichter stell' mir vor, der sich Homeren, Virgilen sich vergleichen darf, ja, was Noch mehr gesagt ist, zeige mir den Mann, Der dreyfach diesen Lohn verdiente, den Die schöne Krone dreyfach mehr als mich Beschämte: dann sollst du mich knieend sehn Vor jener Gottheit, die mich so begabte; Nicht eher stünd' ich auf, bis sie die Zierde Von meinem Haupt auf seins hinüber drückte.

Antonio.
Bis dahin bleibst du freylich ihrer werth.

Tasso.
Man wäge mich, das will ich nicht vermeiden, Allein Verachtung hab' ich nicht verdient. Die Krone, der mein Fürst mich würdig achtete, Die meiner Fürstinn Hand für mich gewunden, Soll keiner mir bezweifeln noch begrinsen!

Antonio.
Es ziemt der hohe Ton, die rasche Glut Nicht dir zu mir, noch dir an diesem Orte.

Tasso.
Was du dir hier erlaubst, das ziemt auch mir. Und ist die Wahrheit wohl von hier verbannt? Ist im Pallast der freye Geist gekerkert? Hat hier ein edler Mensch nur Druck zu dulden? Mich dünkt hier ist die Hoheit erst an ihrem Platz, Der Seele Hoheit! Darf sie sich der Nähe Der Großen dieser Erde nicht erfreun? Sie darf's und soll's. Wir nahen uns dem Fürsten Durch Adel nur, der uns von Vätern kam; Warum nicht durch's Gemüth, das die Natur Nicht jedem groß verlieh, wie sie nicht jedem Die Reihe großer Ahnherrn geben konnte. Nur Kleinheit sollte hier sich ängstlich fühlen, Der Neid, der sich zu seiner Schande zeigt: Wie keiner Spinne schmutziges Gewebe An diesen Marmorwänden haften soll.

Antonio.
Du zeigst mir selbst mein Recht dich zu verschmähn! Der übereilte Knabe will des Mann's Vertraun und Freundschaft mit Gewalt ertrotzen? Unsittlich wie du bist hältst du dich gut?

Tasso.
Viel lieber was ihr euch unsittlich nennt, Als was ich mir unedel nennen müßte.

Antonio.
Du bist noch jung genug, daß gute Zucht Dich eines bessern Wegs belehren kann.

Tasso.
Nicht jung genug, vor Götzen mich zu neigen, Und Trotz mit Trotz zu bänd'gen, alt genug.

Antonio.
Wo Lippenspiel und Saitenspiel entscheiden, Ziehst du als Held und Sieger wohl davon.

Tasso.
Verwegen wär' es meine Faust zu rühmen, Denn sie hat nichts gethan, doch ich vertrau' ihr.

Antonio.
Du traust auf Schonung, die dich nur zu sehr im frechen Laufe deines Glücks verzog.

Tasso.
Daß ich erwachsen bin, das fühl' ich nun; Mit dir am wenigsten hätt' ich gewünscht Das Wagespiel der Waffen zu versuchen: Allein du schürest Glut auf Glut, es kocht Das inn're Mark, die schmerzliche Begier Der Rache siedet schäumend in der Brust. Bist du der Mann der du dich rühmst, so steh' mir.

Antonio.
Du weißt so wenig wer, als wo du bist.

Tasso.
Kein Heiligthum heißt uns den Schimpf ertragen. Du lästerst, du entweihest diesen Ort, Nicht ich, der ich Vertraun, Verehrung, Liebe, Das schönste Opfer, dir entgegen trug. Dein Geist verunreint dieses Paradies Und deine Worte diesen reinen Saal, Nicht meines Herzens schwellendes Gefühl, Das braus't, den kleinsten Flecken nicht zu leiden.

Antonio.
Welch hoher Geist in einer engen Brust!

Tasso.
Hier ist noch Raum dem Busen Luft zu machen.

Antonio.
Es macht das Volk sich auch mit Worten Luft.

Tasso.
Bist du ein Edelmann wie ich, so zeig' es.

Antonio.
Ich bin es wohl, doch weiß ich wo ich bin.

Tasso.
Komm mit herab, wo unsre Waffen gelten.

Antonio.
Wie du nicht fordern solltest, folg' ich nicht.

Tasso.
Der Feigheit ist solch Hinderniß willkommen.

Antonio.
Der Feige droht nur, wo er sicher ist.

Tasso.
Mit Freuden kann ich diesem Schutz entsagen.

Antonio.
Vergib dir nur, dem Ort vergibst du nichts.

Tasso.
Verzeihe mir der Ort daß ich es litt.

                Er zieht den Degen.

Zieh' oder folge, wenn ich nicht auf ewig, Wie ich dich hasse, dich verachten soll.

                                             Vierter Auftritt.
                                          Alphons. Die Vorigen.

Alphons.
In welchem Streit treff' ich euch unerwartet?

Antonio.
Du findest mich, o Fürst, gelassen stehn Vor einem, den die Wuth ergriffen hat.

Tasso.
Ich bethe dich als eine Gottheit an, Daß du mit Einem Blick mich warnend bändigst.

Alphons.
Erzähl', Antonio, Tasso, sag' mir an, Wie hat der Zwist sich in mein Haus gedrungen? Wie hat er euch ergriffen, von der Bahn Der Sitten, der Gesetze kluge Männer Im Taumel weggerissen? Ich erstaune.

Tasso.
Du kennst uns beyde nicht, ich glaub' es wohl: Hier dieser Mann, berühmt als klug und sittlich, Hat roh und hämisch, wie ein unerzogner, Unedler Mensch sich gegen mich betragen. Zutraulich nahe ich ihm, er stieß mich weg; Beharrlich liebend drang ich mich zu ihm, Und bitter, immer bittrer ruht' er nicht, Bis er den reinsten Tropfen Bluts in mir Zu Galle wandelte. Verzeih'! Du hast mich hier Als einen Wüthenden getroffen. Dieser Hat alle schuld, wenn ich mich schuldig machte. Er hat die Glut gewaltsam angefacht, Die mich ergriff und mich und ihn verletzte.

Antonio.
Ihn riß der hohe Dichterschwung hinweg! Du hast, o Fürst, zuerst mich angeredet, Hast mich gefragt: es sey mir nun erlaubt, Nach diesem raschen Redner auch zu sprechen.

Tasso.
O ja, erzähl', erzähl' von Wort zu Wort, Und kannst du jede Sylbe, jede Miene Vor diesen Richter stellen, wag' es nur! Beleidige dich selbst zum zweytenmale, Und zeuge wider dich! dagegen will Ich keinen Hauch und keinen Pulsschlag läugnen.

Antonio.
Wenn du noch mehr zu reden hast, so sprich: Wo nicht, so schweig' und unterbrich mich nicht. Ob ich, mein Fürst, ob dieser heiße Kopf Den Streit zuerst begonnen? wer es sey, Der Unrecht hat? ist eine weite Frage, Die wohl zuvörderst noch auf sich beruht.

Tasso.
Wie das? mich dünkt, das ist die erste Frage, Wer von uns beyden Recht und Unrecht hat.

Antonio.
Nicht ganz, wie sich's der unbegränzte Sinn Gedenken mag.

Alphons. Antonio!

Antonio. Gnädigster, Ich ehre deinen Wink, doch laß ihn schweigen: Hab' ich gesprochen, mag er weiter reden; Du wirst entscheiden. Also sag' ich nur: Ich kann mit ihm nicht rechten, kann ihn weder Verklagen, noch mich selbst vertheid'gen, noch Ihm jetzt genug zu thun mich anerbiethen. Denn wie er steht, ist er kein freyer Mann. Es waltet über ihm ein schwer Gesetz, Das deine Gnade höchstens lindern wird. Er hat mir hier gedroht, hat mich gefodert; Vor dir verbarg er kaum das nackte Schwert. Und tratst du, Herr, nicht zwischen uns herein, So stünde jetzt auch ich als pflichtvergessen, Mitschuldig und beschämt vor deinem Blick.

Alphons zu Tasso
Du hast nicht wohl gethan.

Tasso. Mich spricht, o Herr, Mein eigen Herz, gewiß auch deines frey. Ja, es ist wahr, ich drohte, forderte, Ich zog. Allein, wie tückisch seine Zunge Mit wohlgewählten Worten mich verletzt, Wie scharf und schnell sein Zahn das feine Gift Mir in das Blut geflößt, wie er das Fieber Nur mehr und mehr erhitzt – Du denkst es nicht! Gelassen, kalt, hat er mich ausgehalten, Auf's höchste mich getrieben. O! du kennst, Du kennst ihn nicht und wirst ihn niemals kennen! Ich trug ihm warm die schönste Freundschaft an; Er warf mir meine Gaben vor die Füße; Und hätte meine Seele nicht geglüht, So war sie deiner Gnade, deines Dienstes Auf ewig unwerth. Hab' ich des Gesetzes Und dieses Orts vergessen, so verzeih. Auf keinem Boden darf ich niedrig seyn, Erniedrigung auf keinem Boden dulden. Wenn dieses Herz, es sey auch wo es will, Dir fehlt und sich, dann strafe, dann verstoße, Und laß mich nie dein Auge wiedersehn.

Antonio.
Wie leicht der Jüngling schwere Lasten trägt Und Fehler wie den Staub vom Kleide schüttelt! Es wäre zu verwundern, wenn die Zauberkraft Der Dichtung nicht bekannter wäre, die Mit dem Unmöglichen so gern ihr Spiel Zu treiben liebt. Ob du auch so, mein Fürst, Ob alle deine Diener diese That So unbedeutend halten, zweifl' ich fast. Die Majestät verbreitet ihren Schutz Auf jeden, der sich ihr wie einer Gottheit Und ihrer unverletzten Wohnung naht. Wie an dem Fuße des Altars, bezähmt Sich auf der Schwelle jede Leidenschaft. Da blinkt kein Schwert, da fällt kein drohend Wort, Da fordert selbst Beleid'gung keine Rache. Es bleibt das weite Feld ein offner Raum Für Grimm und Unversöhnlichkeit genug. Dort wird kein Feiger drohn, kein Mann wird fliehn. Hier diese Mauern haben deine Väter Auf Sicherheit gegründet, ihrer Würde Ein Heiligthum befestigt, diese Ruhe Mit schweren Strafen ernst und klug erhalten; Verbannung, Kerker, Tod ergriff den Schuldigen. Da war kein Ansehn der Person, es hielt Die Milde nicht den Arm des Rechts zurück; Und selbst der Frevler fühlte sich geschreckt. Nun sehen wir nach langem schönem Frieden In das Gebieth der Sitten rohe Wuth Im Taumel wiederkehren. Herr, entscheide, Bestrafe! denn wer kann in seiner Pflicht Beschränkten Gränzen wandeln, schützet ihn Nicht das Gesetz und seines Fürsten Kraft?

Alphons.
Mehr als ihr beyde sagt und sagen könnt, Läßt unparteyisch das Gemüth mich hören. Ihr hättet schöner eure Pflicht gethan, Wenn ich dieß Urtheil nicht zu sprechen hätte. Denn hier sind Recht und Unrecht nah verwandt. Wenn dich Antonio beleidigt hat, So hat er dir auf irgend eine Weise Genugzuthun, wie du es fordern wirst. Mir wär' es lieb, ihr wähltet mich zum Austrag. Indessen, dein Vergehen macht, o Tasso, Dich zum Gefangnen. Wie ich dir vergebe: So lindr' ich das Gesetz um deinetwillen. Verlaß uns, Tasso! bleib' auf deinem Zimmer, Von dir und mit dir selbst allein bewacht.

Tasso.
Ist dieß, o Fürst, dein richterlicher Spruch?

Antonio.
Erkennest du des Vaters Milde nicht?

Tasso zu Antonio.
Mit dir hab' ich vorerst nichts mehr zu reden.

                                       Zu Alphons.

O Fürst, es übergibt dein ernstes Wort Mich Freyen der Gefangenschaft. Es sey! Du hältst es Recht. Dein heilig Wort verehrend, Heiß' ich mein innres Herz im tiefsten schweigen. Es ist mir neu, so neu, daß ich fast dich Und mich und diesen schönen Ort nicht kenne. Doch diesen kenn' ich wohl – Gehorchen will ich, Ob ich gleich hier noch manches sagen könnte, Und sagen sollte. Mir verstummt die Lippe. War's ein Verbrechen? Wenigstens es scheint, Ich bin als ein Verbrecher angesehn. Und, was mein Herz auch sagt, ich bin gefangen.

Alphons.
Du nimmst es höher, Tasso, als ich selbst.

Tasso.
Mir bleibt es unbegreiflich wie es ist; Zwar unbegreiflich nicht, ich bin kein Kind; Ich meine fast, ich müßt' es denken können. Auf einmal winkt mich eine Klarheit an, Doch augenblicklich schließt sich's wieder zu, Ich höre nur mein Urtheil, beuge mich. Das sind zu viel vergebne Worte schon! Gewöhne dich von nun an zu gehorchen; Ohnmächt'ger! du vergaßest wo du standst; Der Götter Saal schien dir auf gleicher Erde, Nun überwältigt dich der jähe Fall, Gehorche gern, denn es geziemt dem Manne, Auch willig das Beschwerliche zu thun. Hier nimm den Degen erst, den du mir gabst, Als ich dem Cardinal nach Frankreich folgte, Ich führe ihn nicht mit Ruhm, doch nicht mit Schande, Auch heute nicht. Der hoffnungsvollen Gabe Entäußr' ich mich mit tief gerührtem Herzen.

Alphons.
Wie ich zu dir gesinnt bin fühlst du nicht.

Tasso.
Gehorchen ist mein Loos und nicht zu denken! Und leider eines herrlichern Geschenks Verläugnung fordert das Geschick von mir. Die Krone kleidet den Gefangnen nicht: Ich nehme selbst von meinem Haupt die Zierde, Die für die Ewigkeit gegönnt mir schien. Zu früh war mir das schönste Glück verliehen, Und wird, als hätt' ich sein mich überhoben, Mir nur zu bald geraubt. Du nimmst dir selbst, was keiner nehmen konnte Und was kein Gott zum zweytenmale gibt. Wir Menschen werden wunderbar geprüft; Wir könnten's nicht ertragen, hätt' uns nicht Den holden Leichtsinn die Natur verliehn. Mit unschätzbaren Gütern lehret uns Verschwenderisch die Noth gelassen spielen: Wir öffnen willig unsre Hände, daß Unwiederbringlich uns ein Gut entschlüpfe: Mit diesem Kuß vereint sich eine Thräne, Und weiht dich der Vergänglichkeit! es ist Erlaubt das holde Zeichen unsrer Schwäche! Wer weinte nicht, wenn das Unsterbliche Vor der Zerstörung selbst nicht sicher ist? Geselle dich zu diesem Degen, der Dich leider nicht erwarb, um ihn geschlungen Ruhe, wie auf dem Sarg der Tapfern, auf Dem Grabe meines Glücks und meiner Hoffnung! Hier leg' ich beyde willig dir zu Füßen; Denn wer ist wohl gewaffnet, wenn du zürnst? Und wer geschmückt, o Herr, den du verkennst? Gefangen geh' ich, warte des Gerichts.

    Auf des Fürsten Wink, hebt ein Page den Degen mit dem Kranze auf und trägt ihn weg.

                                             Fünfter Auftritt.
                                             Alphons. Antonio.

Antonio.
Wo schwärmt der Knabe hin? Mit welchen Farben Mahlt er sich seinen Werth und sein Geschick? Beschränkt und unerfahren hält die Jugend Sich für ein einzig auserwähltes Wesen, Und alles über alle sich erlaubt. Er fühle sich gestraft, und strafen heißt Dem Jüngling wohlthun, daß der Mann uns danke.

Alphons.
Er ist gestraft, ich fürchte, nur zu viel.

Antonio.
Wenn du gelind mit ihm verfahren magst, So gib, o Fürst, ihm seine Freyheit wieder, Und unsern Zwist entscheide dann das Schwert.

Alphons.
Wenn es die Meinung fordert, mag es seyn. Doch sprich, wie hast du seinen Zorn gereitzt?

Antonio.
Ich wüßte kaum zu sagen, wie's geschah. Als Menschen hab' ich ihn vielleicht gekränkt, Als Edelmann hab' ich ihn nicht beleidigt. Und seinen Lippen ist im größten Zorne Kein sittenloses Wort entflohn.

Alphons.
So schien Mir euer Streit, und was ich gleich gedacht, Bekräftigt deine Rede mir noch mehr. Wenn Männer sich entzweyen, hält man billig Den Klügsten für den Schuldigen. Du solltest Mit ihm nicht zürnen; ihn zu leiten stünde Dir besser an. Noch immer ist es Zeit: Hier ist kein Fall, der euch zu streiten zwänge. So lang' mir Friede bleibt, so lange wünsch' ich In meinem Haus ihn zu genießen. Stelle Die Ruhe wieder her, du kannst es leicht. Lenore Sanvitale mag ihn erst Mit zarter Lippe zu besänft'gen suchen: Dann tritt zu ihm, gib ihm in meinem Namen Die volle Freyheit wieder, und gewinne Mit edeln, wahren Worten sein Vertraun. Verrichte das, so bald du immer kannst; Du wirst als Freund und Vater mit ihm sprechen. Noch eh' wir scheiden, will ich Friede wissen, Und dir ist nichts unmöglich, wenn du willst. Wir bleiben lieber eine Stunde länger, Und lassen dann die Frauen sanft vollenden, Was du begannst; und kehren wir zurück, So haben sie von diesem raschen Eindruck Die letzte Spur vertilgt. Es scheint, Antonio, Du willst nicht aus der Übung kommen! Du Hast Ein Geschäft kaum erst vollendet, nun Kehrst du zurück und schaffst dir gleich ein neues. Ich hoffe, daß auch dieses dir gelingt.

Antonio.
Ich bin beschämt, und seh' in deinen Worten, Wie in dem klarsten Spiegel, meine Schuld! Gar leicht gehorcht man einem edlen Herrn, Der überzeugt, indem er uns gebiethet.