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Woyzeck - Mariens Stube 11. Szene by Georg Bchner Lyrics

Genre: misc | Year: 1879

Woyzeck Marie.

Marie. Guten Tag, Franz.

Woyzeck (sieht sie starr an und schüttelt den Kopf.) Hm! ich seh’ nichts, ich seh’ nichts. O, man müßt’s seh’n, man müßt’s greifen können mit den Fäusten!

Marie. Was hast, Franz?

Woyzeck (wie früher). Bißt du’s noch, Marie?! – Eine Sünde, so dick und breit – das müßt stinken, daß man die Engelchen zum Himmel hinausräuchern könnt’. Aber du hast einen rothen Mund, Marie! Einen rothen Mund – keine Blase drauf?

Marie. Du bißt hirnwüthig, Franz, ich fürcht’ mich …

Woyzeck Du bist schön — „wie die Sünde“. Aber kann die Todsünde so schön sein, Marie? (Auffahrend.) Da! — Hat er da gestanden, so, so?

Marie. Ich kann den Leuten die Gasse nicht verbieten …

Woyzeck Teufel! Hat er da gestanden?

Marie. Dieweil der Tag lang und die Welt alt ist, können viel Menschen an einem Platze stehen, einer nach dem andern.

Woyzeck Ich hab ihn gesehen!
Marie. Man kann viel sehen, wenn man zwei Augen hat, und wenn man nicht blind ist, und wenn die Sonn’ scheint.

Woyzeck Du bei ihm!

Marie (keck). Und wenn auch!

Woyzeck (geht auf sie los). Mensch!

Marie. Rühr’ mich nicht an. Lieber ein Messer in den Leib, als eine Hand auf mich. Mein Vater hat’s nicht gewagt, wie ich zehn Jahr alt war …

Woyzeck (sieht sie starr an, läßt langsam die Hand sinken). Lieber ein Messer! (Nach einer Pause, scheu flüsternd:) Der Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt Einem, wenn man hinunterschaut … Mich schwindelt …