Song Page - Lyrify.me

Lyrify.me

Wallenstein - Kapitel 14 by Friedrich Schiller Lyrics

Genre: misc | Year: 2015

                                             Fünfter Aufzug
Buttlers Zimmer.

                                             Erster Auftritt

Buttler. Major Geraldin.

Buttler.
Zwölf rüstige Dragoner sucht Ihr aus,
Bewaffnet sie mit Piken, denn kein Schuß
Darf fallen – An dem Eßsaal nebenbei
Versteckt Ihr sie, und wenn der Nachtisch aufgesetzt,
dringt ihr herein und ruft: Wer ist
Gut kaiserlich? – Ich will den Tisch umstürzen –
Dann werft ihr euch auf beide, stoßt sie nieder.
Das Schloß wird wohl verriegelt und bewacht,
Daß kein Gerücht davon zum Fürsten dringe.
Geht jetzt – Habt Ihr nach Hauptmann Deveroux
Und Macdonald geschickt?

Geraldin.
Gleich sind sie hier. (Geht ab.)
Buttler.
Kein Aufschub ist zu wagen. Auch die Bürger
Erklären sich für ihn, ich weiß nicht, welch
Ein Schwindelgeist die ganze Stadt ergriffen.
Sie sehn im Herzog einen Friedensfürsten
Und einen Stifter neuer goldner Zeit.
Der Rat hat Waffen ausgeteilt; schon haben
Sich ihrer hundert angeboten, Wache
Bei ihm zu tun. Drum gilt es, schnell zu sein,
Denn Feinde drohn von außen und von innen.

                                             Zweiter Auftritt

Buttler.
Hauptmann Deveroux und Macdonald.

Macdonald.
Da sind wir, General.

Deveroux.
Was ist die Losung?

Buttler.
Es lebe der Kaiser!

Beide (treten zurück).
Wie?
Buttler.
Haus Östreich lebe!

Deveroux.
Ist's nicht der Friedland, dem wir Treu geschworen?

Macdonald.
Sind wir nicht hergeführt, ihn zu beschützen?

Buttler.
Wir einen Reichsfeind und Verräter schützen?

Deveroux.
Nun ja, du nahmst uns ja für ihn in Pflicht.

Macdonald.
Und bist ihm ja hieher gefolgt nach Eger.

Buttler.
Ich tat's, ihn desto sichrer zu verderben.

Deveroux.
Ja so!

Macdonald.
Das ist was anders.
Buttler (zu Deveroux).
Elender!
So leicht entweichst du von der Pflicht und Fahne?

Deveroux.
Zum Teufel, Herr! Ich folgte deinem Beispiel:
Kann der ein Schelm sein, dacht' ich, kannst du's auch.

Macdonald.
Wir denken nicht nach. Das ist deine Sache!
Du bist der General und kommandierst,
Wir folgen dir, und wenn's zur Hölle ginge.

Buttler (besänftigt).
Nun gut! Wir kennen einander.

Macdonald.
Ja, das denk ich.

Deveroux.
Wir sind Soldaten der Fortuna, wer
Das meiste bietet, hat uns.

Macdonald.
Ja, so ist's.

Buttler.
Jetzt sollt ihr ehrliche Soldaten bleiben.

Deveroux.
Das sind wir gerne.

Buttler.
Und Fortüne machen.

Macdonald.
Das ist noch besser.

Buttler.
Höret an.

Beide.
Wir hören.

Buttler.
Es ist des Kaisers Will' und Ordonnanz,
Den Friedland, lebend oder tot, zu fangen.

Deveroux.
So steht's im Brief.

Macdonald.
Ja, lebend oder tot!

Buttler.
Und stattliche Belohnung wartet dessen
An Geld und Gütern, der die Tat vollführt.

Deveroux.
Es klingt ganz gut. Das Wort klingt immer gut
Von dorten her. Ja, ja! Wir wissen schon!
So eine güldne Gnadenkett' etwa,
Ein krummes Roß, ein Pergament und so was.
– Der Fürst zahlt besser.

Macdonald.
Ja, der ist splendid.

Buttler.
Mit dem ist's aus. Sein Glücksstern ist gefallen.

Macdonald.
Ist das gewiß?

Buttler.
Ich sag's euch.

Deveroux.
Ist's vorbei
Mit seinem Glück?

Buttler.
Vorbei auf immerdar.
Er ist so arm wie wir.

Macdonald.
So arm wie wir?

Deveroux.
Ja, Macdonald, da muß man ihn verlassen!

Buttler.
Verlassen ist er schon von zwanzigtausend.
Wir müssen mehr tun, Landsmann. Kurz und gut!
– Wir müssen ihn töten.

(Beide fahren zurück.)

Beide.
Töten!

Buttler.
Töten, sag ich.
– Und dazu hab ich euch erlesen.

Beide.
Uns?

Buttler.
Euch, Hauptmann Deveroux und Macdonald.

Deveroux (nach einer Pause).
Wählt einen andern.

Macdonald.
Ja, wählt einen andern.

Buttler (zu Deveroux).
Erschreckt's dich, feige Memme? Wie? Du hast
Schon deine dreißig Seelen auf dir liegen –

Deveroux.
Hand an den Feldherrn legen – das bedenk!

Macdonald.
Dem wir das Jurament geleistet haben!

Buttler.
Das Jurament ist null mit seiner Treu.

Deveroux.
Hör, General! Das dünkt mir doch zu gräßlich.

Macdonald.
Ja, das ist wahr! Man hat auch ein Gewissen.

Deveroux.
Wenn's nur der Chef nicht wär', der uns so lang.
Gekommandiert hat und Respekt gefordert.

Buttler.
Ist das der Anstoß?

Deveroux.
Ja! Hör! Wen du sonst willst!
Dem eignen Sohn, wenn's Kaisers Dienst verlangt,
Will ich das Schwert ins Eingeweide bohren –
Doch sieh, wir sind Soldaten, und den Feldherrn
Ermorden, das ist eine Sünd' und Frevel,
Davon kein Beichtmönch absolvieren kann.

Buttler.
Ich bin dein Papst und absolviere dich.
Entschließt euch schnell.

Deveroux (steht bedenklich).
Es geht nicht.

Macdonald.
Nein, es geht nicht.

Buttler.
Nun denn, so geht – und – schickt mir Pestalutzen.

Deveroux (stutzt).
Den Pestalutz – Hum!

Macdonald.
Was willst du mit diesem?

Buttler.
Wenn ihr's verschmäht, es finden sich genug –

Deveroux.
Nein, wenn er fallen muß, so können wir
Den Preis so gut verdienen als ein andrer.
– Was denkst du, Bruder Macdonald?

Macdonald.
Ja wenn
Er fallen muß und soll, und 's ist nicht anders,
So mag ich's diesem Pestalutz nicht gönnen.

Deveroux (nach einigem Besinnen).
Wann soll er fallen?

Buttler.
Heut, in dieser Nacht,
Denn morgen stehn die Schweden vor den Toren.

Deveroux.
Stehst du mir für die Folgen, General?

Buttler.
Ich steh für alles.

Deveroux.
Ist's des Kaisers Will'?
Sein netter, runder Will'? Man hat Exempel,
Daß man den Mord liebt und den Mörder straft.

Buttler.
Das Manifest sagt: lebend oder tot.
Und lebend ist's nicht möglich, seht ihr selbst –

Deveroux.
Tot also! Tot! – Wie aber kommt man an ihn?
Die Stadt ist angefüllt mit Terzkyschen.

Macdonald.
Und dann ist noch der Terzky und der Illo –

Buttler.
Mit diesen beiden fängt man an, versteht sich.

Deveroux.
Was? Sollen die auch fallen?

Buttler.
Die zuerst.

Macdonald.
Hör, Deveroux – das wird ein blut'ger Abend.

Deveroux.
Hast du schon deinen Mann dazu? Trag's mir auf.

Buttler.
Dem Major Geraldin ist's übergeben.
Es ist heut Faßnacht, und ein Essen wird
Gegeben auf dem Schloß, dort wird man sie
Bei Tafel überfallen, niederstoßen –
Der Pestalutz, der Leßley sind dabei –

Deveroux.
Hör, General! Dir kann es nichts verschlagen.
Hör – laß mich tauschen mit dem Geraldin.

Buttler.
Die kleinere Gefahr ist bei dem Herzog.

Deveroux.
Gefahr! Was, Teufel! denkst du von mir, Herr?
Des Herzogs Aug', nicht seinen Degen fürcht ich.

Buttler.
Was kann sein Aug' dir schaden?

Deveroux.
Alle Teufel!
Du kennst mich, daß ich keine Memme bin.
Doch sieh, es sind noch nicht acht Tag', daß mir
Der Herzog zwanzig Goldstück reichen lassen
Zu diesem warmen Rock, den ich hier anhab –
Und wenn er mich nun mit der Pike sieht
Dastehn, mir auf den Rock sieht – sieh – so – so –
Der Teufel hol mich! ich bin keine Memme.

Buttler.
Der Herzog gab dir diesen warmen Rock,
Und du, ein armer Wicht, bedenkst dich, ihm
Dafür den Degen durch den Leib zu rennen.
Und einen Rock, der noch viel wärmer hält,
Hing ihm der Kaiser um, den Fürstenmantel.
Wie dankt er's ihm? Mit Aufruhr und Verrat.

Deveroux.
Das ist auch wahr. Den Danker hol der Teufel!
Ich – bring ihn um.

Buttler.
Und willst du dein Gewissen
Beruhigen, darfst du den Rock nur ausziehn,
So kannst du's frisch und wohlgemut vollbringen.

Macdonald.
Ja! da ist aber noch was zu bedenken –

Buttler.
Was gibt's noch zu bedenken, Macdonald?

Macdonald.
Was hilft uns Wehr und Waffe wider den?
Er ist nicht zu verwunden, er ist fest.

Buttler (fährt auf). Was wird er –

Macdonald.
Gegen Schuß und Hieb! Er ist
Gefroren, mit der Teufelskunst behaftet,
Sein Leib ist undurchdringlich, sag ich dir.

Deveroux.
Ja, ja! In Ingolstadt war auch so einer,
Dem war die Haut so fest wie Stahl, man mußt' ihn
Zuletzt mit Flintenkolben niederschlagen.

Macdonald.
Hört, was ich tun will!

Deveroux.
Sprich!
Macdonald. Ich kenne hier
Im Kloster einen Bruder Dominikaner
Aus unsrer Landsmannschaft, der soll mir Schwert
Und Pike tauchen in geweihtes Wasser
Und einen kräft'gen Segen drüber sprechen,
Das ist bewährt, hilft gegen jeden Bann.

Buttler.
Das tue, Macdonald. Jetzt aber geht.
Wählt aus dem Regimente zwanzig, dreißig
Handfeste Kerls, laßt sie dem Kaiser schwören –
Wenn's eilf geschlagen – wenn die ersten Runden
Passiert sind, führt ihr sie in aller Stille
Dem Hause zu – Ich werde selbst nicht weit sein.

Deveroux.
Wie kommen wir durch die Hartschiers und Garden,
Die in dem innern Hofraum Wache stehn?

Buttler.
Ich hab des Orts Gelegenheit erkundigt.
Durch eine hintre Pforte führ ich euch,
Die nur durch einen Mann verteidigt wird.
Mir gibt mein Rang und Amt zu jeder Stunde
Einlaß beim Herzog. Ich will euch vorangehn,
Und schnell mit einem Dolchstoß in die Kehle
Durchbohr ich den Hartschier und mach euch Bahn.

Deveroux.
Und sind wir oben, wie erreichen wir
Das Schlafgemach des Fürsten, ohne daß
Das Hofgesind' erwacht und Lärmen ruft?
Denn er ist hier mit großem Komitat.

Buttler.
Die Dienerschaft ist auf dem rechten Flügel,
Er haßt Geräusch, wohnt auf dem linken ganz allein.

Deveroux.
Wär's nur vorüber, Macdonald – Mir ist
Seltsam dabei zumute, weiß der Teufel.

Macdonald.
Mir auch. Es ist ein gar zu großes Haupt.
Man wird uns für zwei Bösewichter halten.

Buttler.
In Glanz und Ehr' und Überfluß könnt ihr
Der Menschen Urteil und Gered' verlachen.

Deveroux.
Wenn's mit der Ehr' nur auch so recht gewiß ist.

Buttler.
Seid unbesorgt. Ihr rettet Kron' und Reich
Dem Ferdinand. Der Lohn kann nicht gering sein.

Deveroux.
So ist's sein Zweck, den Kaiser zu entthronen?

Buttler.
Das ist er! Kron' und Leben ihm zu rauben!

Deveroux.
So müßt' er fallen durch des Henkers Hand,
Wenn wir nach Wien lebendig ihn geliefert?

Buttler.
Dies Schicksal könnt' er nimmermehr vermeiden.
Deveroux.
Komm, Macdonald! Er soll als Feldherr enden
Und ehrlich fallen von Soldatenhänden.

(Sie gehen ab.)

                                             Dritter Auftritt

Ein Saal, aus dem man in eine Galerie gelangt, die sich weit nach hinten verliert.
Wallenstein sitzt an einem Tisch. Der schwedische Hauptmann steht vor ihm. Bald darauf Gräfin Terzky.

Wallenstein.
Empfehlt mich Eurem Herrn. Ich nehme teil
An seinem guten Glück, und wenn Ihr mich
So viele Freude nicht bezeigen seht,
Als diese Siegespost verdienen mag,
So glaubt, es ist nicht Mangel guten Willens,
Denn unser Glück ist nunmehr eins. Lebt wohl!
Nehmt meinen Dank für Eure Müh. Die Festung
Soll sich euch auftun morgen, wenn ihr kommt.

(Schwedischer Hauptmann geht ab. Wallenstein sitzt in tiefen Gedanken, starr vor sich hinsehend, den Kopf in die Hand gesenkt. Gräfin Terzky tritt herein und steht eine Zeitlang vor ihm unbemerkt, endlich macht er eine rasche Bewegung, erblickt sie und faßt sich schnell.)

Kommst du von ihr? Erholt sie sich? Was macht sie?

Gräfin.
Sie soll gefaßter sein nach dem Gespräch,
Sagt mir die Schwester – Jetzt ist sie zu Bette.

Wallenstein.
Ihr Schmerz wird sanfter werden. Sie wird weinen.

Gräfin.
Auch dich, mein Bruder, find ich nicht wie sonst.
Nach einem Sieg erwartet' ich dich heitrer.
O bleibe stark! Erhalte du uns aufrecht,
Denn du bist unser Licht und unsre Sonne.

Wallenstein.
Sei ruhig. Mir ist nichts – Wo ist dein Mann?

Gräfin.
Zu einem Gastmahl sind sie, er und Illo.
Wallenstein (steht auf und macht einige Schritte durch den Saal).
Es ist schon finstre Nacht – Geh auf dein Zimmer.

Gräfin.
Heiß mich nicht gehn, o laß mich um dich bleiben.

Wallenstein (ist ans Fenster getreten).
Am Himmel ist geschäftige Bewegung,
Des Turmes Fahne jagt der Wind, schnell geht
Der Wolken Zug, die Mondessichel wankt,
Und durch die Nacht zuckt ungewisse Helle.
– Kein Sternbild ist zu sehn! Der matte Schein dort,
Der einzelne, ist aus der Kassiopeia,
Und dahin steht der Jupiter – Doch jetzt
Deckt ihn die Schwärze des Gewitterhimmels!

(Er versinkt in Tiefsinn und sieht starr hinaus.)

Gräfin (die ihm traurig zusieht, faßt ihn bei der Hand).
Was sinnst du?

Wallenstein.
Mir deucht, wenn ich ihn sähe, wär' mir wohl.
Es ist der Stern, der meinem Leben strahlt,
Und wunderbar oft stärkte mich sein Anblick.

(Pause.)

Gräfin.
Du wirst ihn wiedersehn.

Wallenstein (ist wieder in eine tiefe Zerstreuung gefallen, er ermuntert sich und wendet sich schnell zur Gräfin).
Ihn wiedersehn? – O niemals wieder!

Gräfin.
Wie?

Wallenstein.
Er ist dahin – ist Staub!

Gräfin.
Wen meinst du denn?

Wallenstein.
Er ist der Glückliche. Er hat vollendet.
Für ihn ist keine Zukunft mehr, ihm spinnt
Das Schicksal keine Tücke mehr – sein Leben
Liegt faltenlos und leuchtend ausgebreitet,
Kein dunkler Flecken blieb darin zurück,
Und unglückbringend pocht ihm keine Stunde.
Weg ist er über Wunsch und Furcht, gehört
Nicht mehr den trüglich wankenden Planeten –
O ihm ist wohl! Wer aber weiß, was uns
Die nächste Stunde schwarz verschleiert bringt!

Gräfin.
Du sprichst von Piccolomini. Wie starb er?
Der Bote ging just von dir, als ich kam.

(Wallenstein bedeutet sie mit der Hand, zu schweigen.)

O wende deine Blicke nicht zurück!
Vorwärts in hellre Tage laß uns schauen.
Freu dich des Siegs, vergiß, was er dir kostet.
Nicht heute erst ward dir der Freund geraubt;
Als er sich von dir schied, da starb er dir.

Wallenstein.
Verschmerzen werd ich diesen Schlag, das weiß ich,
Denn was verschmerzte nicht der Mensch! Vom Höchsten
Wie vom Gemeinsten lernt er sich entwöhnen,
Denn ihn besiegen die gewalt'gen Stunden.
Doch fühl ich's wohl, was ich in ihm verlor.
Die Blume ist hinweg aus meinem Leben,
Und kalt und farblos seh ich's vor mir liegen.
Denn er stand neben mir wie meine Jugend,
Er machte mir das Wirkliche zum Traum,
Um die gemeine Deutlichkeit der Dinge
Den goldnen Duft der Morgenröte webend –
Im Feuer seines liebenden Gefühls
Erhoben sich, mir selber zum Erstaunen,
Des Lebens flach alltägliche Gestalten.
– Was ich mir ferner auch erstreben mag,
Das Schöne ist doch weg, das kommt nicht wieder,
Denn über alles Glück geht doch der Freund,
Der's fühlend erst erschafft, der's teilend mehrt.

Gräfin.
Verzag nicht an der eignen Kraft. Dein Herz
Ist reich genug, sich selber zu beleben.
Du liebst und preisest Tugenden an ihm,
Die du in ihm gepflanzt, in ihm entfaltet.

Wallenstein (an die Türe gehend).
Wer stört uns noch in später Nacht? – Es ist
Der Kommendant. Er bringt die Festungsschlüssel.
Verlaß uns, Schwester, Mitternacht ist da.

Gräfin.
O mir wird heut so schwer, von dir zu gehn,
Und bange Furcht bewegt mich.

Wallenstein.
Furcht! Wovor?

Gräfin.
Du möchtest schnell wegreisen diese Nacht,
Und beim Erwachen fänden wir dich nimmer.

Wallenstein.
Einbildungen.

Gräfin.
O meine Seele wird
Schon lang von trüben Ahnungen geängstigt,
Und wenn ich wachend sie bekämpft, sie fallen
Mein banges Herz in düstern Träumen an.
– Ich sah dich gestern nacht mit deiner ersten
Gemahlin, reich geputzt, zu Tische sitzen –

Wallenstein.
Das ist ein Traum erwünschter Vorbedeutung,
Denn jene Heirat stiftete mein Glück.

Gräfin.
Und heute träumte mir, ich suchte dich
In deinem Zimmer auf – Wie ich hineintrat,
So war's dein Zimmer nicht mehr, die Kartause
Zu Gitschin war's, die du gestiftet hast
Und wo du willst, daß man dich hin begrabe.

Wallenstein.
Dein Geist ist nun einmal damit beschäftigt.

Gräfin.
Wie? Glaubst du nicht, daß eine Warnungsstimme
In Träumen vorbedeutend zu uns spricht?

Wallenstein.
Dergleichen Stimmen gibt's – Es ist kein Zweifel!
Doch Warnungsstimmen möcht' ich sie nicht nennen,
Die nur das Unvermeidliche verkünden.
Wie sich der Sonne Scheinbild in dem Dunstkreis
Malt, eh' sie kommt, so schreiten auch den großen
Geschicken ihre Geister schon voran,
Und in dem Heute wandelt schon das Morgen.
Es machte mir stets eigene Gedanken,
Was man vom Tod des vierten Heinrichs liest.
Der König fühlte das Gespenst des Messers
Lang vorher in der Brust, eh' sich der Mörder
Ravaillac damit waffnete. Ihn floh
Die Ruh', es jagt' ihn auf in seinem Louvre,
Ins Freie trieb es ihn; wie Leichenfeier
Klang ihm der Gattin Krönungsfest, er hörte
Im ahnungsvollen Ohr der Füße Tritt,
Die durch die Gassen von Paris ihn suchten –

Gräfin.
Sagt dir die innre Ahnungsstimme nichts?

Wallenstein.
Nichts. Sei ganz ruhig!

Gräfin (in düstres Nachsinnen verloren).
Und ein andermal,
Als ich dir eilend nachging, liefst du vor mir
Durch einen langen Gang, durch weite Säle,
Es wollte gar nicht enden – Türen schlugen
Zusammen, krachend – keuchend folgt' ich, konnte
Dich nicht erreichen – plötzlich fühlt' ich mich
Von hinten angefaßt mit kalter Hand,
Du warst's und küßtest mich, und über uns
Schien eine rote Decke sich zu legen –

Wallenstein.
Das ist der rote Teppich meines Zimmers.

Gräfin (ihn betrachtend).
Wenn's dahin sollte kommen – Wenn ich dich,
Der jetzt in Lebensfülle vor mir steht –

(Sie sinkt ihm weinend an die Brust.)

Wallenstein.
Des Kaisers Achtsbrief ängstigt dich. Buchstaben
Verwunden nicht, er findet keine Hände.

Gräfin.
Fänd' er sie aber, dann ist mein Entschluß
Gefaßt – ich führe bei mir, was mich tröstet. (Geht ab.)

                                             Vierter Auftritt

Wallenstein. Gordon. Dann der Kammerdiener.

Wallenstein.
Ist's ruhig in der Stadt?

Gordon.
Die Stadt ist ruhig.

Wallenstein.
Ich höre rauschende Musik, das Schloß ist
Von Lichtern hell. Wer sind die Fröhlichen?

Gordon.
Dem Grafen Terzky und dem Feldmarschall
Wird ein Bankett gegeben auf dem Schloß.

Wallenstein (vor sich).
Es ist des Sieges wegen – Dies Geschlecht
Kann sich nicht anders freuen als bei Tisch.

(Klingelt. Kammerdiener tritt ein.)

Entkleide mich, ich will mich schlafen legen.

(Er nimmt die Schlüssel zu sich.)

So sind wir denn vor jedem Feind bewahrt
Und mit den sichern Freunden eingeschlossen;
Denn alles müßt' mich trügen, oder ein
Gesicht wie dies (auf Gordon schauend)
ist keines Heuchlers Larve.

(Kammerdiener hat ihm den Mantel, Ringkragen und die Feldbinde abgenommen.)

Gib acht! Was fällt da?

Kammerdiener.
Die goldne Kette ist entzweigesprungen.

Wallenstein.
Nun, sie hat lang genug gehalten. Gib.
(Indem er die Kette betrachtet.)
Das war des Kaisers erste Gunst. Er hing sie
Als Erzherzog mir um, im Krieg von Friaul,
Und aus Gewohnheit trug ich sie bis heut.
– Aus Aberglauben, wenn Ihr wollt. Sie sollte
Ein Talisman mir sein, so lang ich sie
An meinem Halse gläubig würde tragen,
Das flücht'ge Glück, des erste Gunst sie war,
Mir auf zeitlebens binden – Nun es sei!
Mir muß fortan ein neues Glück beginnen,
Denn dieses Bannes Kraft ist aus.

(Kammerdiener entfernt sich mit den Kleidern. Wallenstein steht auf, macht einen Gang durch den Saal und bleibt zuletzt nachdenkend vor Gordon stehen.)

Wie doch die alte Zeit mir näher kommt.
Ich seh mich wieder an dem Hof zu Burgau,
Wo wir zusammen Edelknaben waren.
Wir hatten öfters Streit, du meintest's gut
Und pflegtest gern den Sittenprediger
Zu machen, schaltest mich, daß ich nach hohen Dingen
Unmäßig strebte, kühnen Träumen glaubend,
Und priesest mir den goldnen Mittelweg.
– Ei, deine Weisheit hat sich schlecht bewährt,
Sie hat dich früh zum abgelebten Manne
Gemacht und würde dich, wenn ich mit meinen
Großmüt'gern Sternen nicht dazwischenträte,
Im schlechten Winkel still verlöschen lassen.

Gordon.
Mein Fürst! Mit leichtem Mute knüpft der arme Fischer
Den kleinen Nachen an im sichern Port,
Sieht er im Sturm das große Meerschiff stranden.

Wallenstein.
So bist du schon im Hafen, alter Mann?
Ich nicht. Es treibt der ungeschwächte Mut
Noch frisch und herrlich auf der Lebenswoge,
Die Hoffnung nenn ich meine Göttin noch,
Ein Jüngling ist der Geist, und seh ich mich
Dir gegenüber, ja, so möcht' ich rühmend sagen,
Daß über meinem braunen Scheitelhaar
Die schnellen Jahre machtlos hingegangen.

(Er geht mit großen Schritten durchs Zimmer und bleibt auf der entgegengesetzten Seite, Gordon gegenüber, stehen.)

Wer nennt das Glück noch falsch? Mir war es treu,
Hob aus der Menschen Reihen mich heraus
Mit Liebe, durch des Lebens Stufen mich
Mit kraftvoll leichten Götterarmen tragend.
Nichts ist gemein in meines Schicksals Wegen
Noch in den Furchen meiner Hand. Wer möchte
Mein Leben mir nach Menschenweise deuten?
Zwar jetzo schein ich tief herabgestürzt,
Doch werd ich wieder steigen, hohe Flut
Wird bald auf diese Ebbe schwellend folgen –

Gordon.
Und doch erinnr' ich an den alten Spruch:
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.
Nicht Hoffnung möcht' ich schöpfen aus dem langen Glück,
Dem Unglück ist die Hoffnung zugesendet.
Furcht soll das Haupt des Glücklichen umschweben,
Denn ewig wanket des Geschickes Waage.

Wallenstein (lächelnd).
Den alten Gordon hör ich wieder sprechen.
– Wohl weiß ich, daß die ird'schen Dinge wechseln,
Die bösen Götter fordern ihren Zoll:
Das wußten schon die alten Heidenvölker,
Drum wählten sie sich selbst freiwill'ges Unheil,
Die eifersücht'ge Gottheit zu versöhnen,
Und Menschenopfer bluteten dem Typhon.

(Nach einer Pause, ernst und stiller.)

Auch ich hab ihm geopfert – Denn mir fiel
Der liebste Freund, und fiel durch meine Schuld.
So kann mich keines Glückes Gunst mehr freuen,
Als dieser Schlag mich hat geschmerzt – Der Neid
Des Schicksals ist gesättigt, es nimmt Leben
Für Leben an, und abgeleitet ist
Auf das geliebte reine Haupt der Blitz,
Der mich zerschmetternd sollte niederschlagen.

                                             Fünfter Auftritt

Vorige. Seni.

Wallenstein.
Kommt da nicht Seni? Und wie außer sich!
Was führt dich noch so spät hieher, Baptist?

Seni.
Furcht deinetwegen, Hoheit.

Wallenstein.
Sag, was gibt's?

Seni.
Flieh, Hoheit, eh' der Tag anbricht. Vertraue dich
Den Schwedischen nicht an.

Wallenstein.
Was fällt dir ein?

Seni (mit steigendem Ton).
Vertrau dich diesen Schweden nicht!

Wallenstein.
Was ist's denn?

Seni.
Erwarte nicht die Ankunft dieser Schweden!
Von falschen Freunden droht dir nahes Unheil,
Die Zeichen stehen grausenhaft, nah, nahe
Umgeben dich die Netze des Verderbens.

Wallenstein.
Du träumst, Baptist, die Furcht betöret dich.

Seni.
O glaube nicht, daß leere Furcht mich täusche.
Komm, lies es selbst in dem Planetenstand,
Daß Unglück dir von falschen Freunden droht.

Wallenstein.
Von falschen Freunden stammt mein ganzes Unglück.
Die Weisung hätte früher kommen sollen,
Jetzt brauch ich keine Sterne mehr dazu.

Seni.
O komm und sieh! Glaub deinen eignen Augen.
Ein greulich Zeichen steht im Haus des Lebens,
Ein naher Feind, ein Unhold lauert hinter
Den Strahlen deines Sterns – O laß dich warnen!
Nicht diesen Heiden überliefre dich,
Die Krieg mit unsrer heil'gen Kirche führen.
Wallenstein (lächelnd).
Schallt das Orakel daher? – Ja! Ja! Nun
Besinn' ich mich – Dies schwed'sche Bündnis hat
Dir nie gefallen wollen – Leg dich schlafen,
Baptista! Solche Zeichen fürcht ich nicht.

Gordon (der durch diese Reden heftig erschüttert worden, wendet sich zu Wallenstein).
Mein fürstlicher Gebieter! Darf ich reden?
Oft kommt ein nützlich Wort aus schlechtem Munde.

Wallenstein.
Sprich frei!

Gordon.
Mein Fürst! Wenn's doch kein leeres Furchtbild wäre,
Wenn Gottes Vorsehung sich dieses Mundes
Zu Ihrer Rettung wunderbar bediente!

Wallenstein.
Ihr sprecht im Fieber, einer wie der andre.
Wie kann mir Unglück kommen von den Schweden?
Sie suchten meinen Bund, er ist ihr Vorteil.

Gordon.
Wenn dennoch eben dieser Schweden Ankunft –
Gerade die es wär', die das Verderben
Beflügelte auf Ihr so sichres Haupt –
(vor ihm niederstürzend)
O noch ist's Zeit, mein Fürst –

Seni (kniet nieder).
O hör ihn! hör ihn!

Wallenstein.
Zeit, und wozu? Steht auf – Ich will's, steht auf.

Gordon (steht auf).
Der Rheingraf ist noch fern. Gebieten Sie,
Und diese Festung soll sich ihm verschließen.
Will er uns dann belagern, er versuch's.
Doch sag ich dies: Verderben wird er eher
Mit seinem ganzen Volk vor diesen Wällen,
Als unsres Mutes Tapferkeit ermüden.
Erfahren soll er, was ein Heldenhaufe
Vermag, beseelt von einem Heldenführer,
Dem's Ernst ist, seinen Fehler gutzumachen.
Das wird den Kaiser rühren und versöhnen,
Denn gern zur Milde wendet sich sein Herz,
Und Friedland, der bereuend wiederkehrt,
Wird höher stehn in seines Kaisers Gnade,
Als je der Niegefallne hat gestanden.

Wallenstein (betrachtet ihn mit Befremdung und Erstaunen und schweigt eine Zeitlang, eine starke innre Bewegung zeigend).
Gordon – des Eifers Wärme führt Euch weit,
Es darf der Jugendfreund sich was erlauben.
– Blut ist geflossen, Gordon.
Nimmer kann
Der Kaiser mir vergeben. Könnt' er's, ich,
Ich könnte nimmer mir vergeben lassen.
Hätt' ich vorher gewußt, was nun geschehn,
Daß es den liebsten Freund mir würde kosten,
Und hätte mir das Herz wie jetzt gesprochen –
Kann sein, ich hätte mich bedacht – kann sein
Auch nicht – Doch was nun schonen noch? Zu ernsthaft
Hat's angefangen, um in nichts zu enden.
Hab' es denn seinen Lauf! (Indem er ans Fenster tritt.)
Sieh, es ist Nacht geworden, auf dem Schloß
Ist's auch schon stille – Leuchte, Kämmerling.

(Kammerdiener, der unterdessen still eingetreten und mit sichtbarem Anteil in der Ferne gestanden, tritt hervor, heftig bewegt, und stürzt sich zu des Herzogs Füßen.)

Du auch noch? Doch ich weiß es ja, warum
Du meinen Frieden wünschest mit dem Kaiser.
Der arme Mensch! Er hat im Kärntnerland
Ein kleines Gut und sorgt, sie nehmen's ihm,
Weil er bei mir ist. Bin ich denn so arm,
Daß ich den Dienern nicht ersetzen kann?
Nun! Ich will niemand zwingen. Wenn du meinst,
Daß mich das Glück geflohen, so verlaß mich.
Heut magst du mich zum letztenmal entkleiden
Und dann zu deinem Kaiser übergehn –
Gut Nacht, Gordon!
Ich denke einen langen Schlaf zu tun,
Denn dieser letzten Tage Qual war groß.
Sorgt, daß sie nicht zu zeitig mich erwecken.

(Er geht ab. Kammerdiener leuchtet. Seni folgt. Gordon bleibt in der Dunkelheit stehen, dem Herzog mit den Augen folgend, bis er in dem äußersten Gang verschwunden ist; dann drückt er durch Gebärden seinen Schmerz aus und lehnt sich gramvoll an eine Säule.)

                                             Sechster Auftritt

Gordon. Buttler, anfangs hinter der Szene.

Buttler.
Hier stehet still, bis ich das Zeichen gebe.

Gordon (fährt auf).
Er ist's, er bringt die Mörder schon.

Buttler.
Die Lichter
Sind aus. In tiefem Schlafe liegt schon alles.

Gordon.
Was soll ich tun? Versuch ich's, ihn zu retten?
Bring ich das Haus, die Wachen in Bewegung?

Buttler (erscheint hinten).
Vom Korridor her schimmert Licht. Das führt
Zum Schlafgemach des Fürsten.

Gordon.
Aber brech ich
Nicht meinen Eid dem Kaiser? Und entkommt er,
Des Feindes Macht verstärkend, lad ich nicht
Auf mein Haupt alle fürchterlichen Folgen?

Buttler (etwas näher kommend).
Still! Horch! Wer spricht da?

Gordon.
Ach, es ist doch besser,
Ich stell's dem Himmel heim. Denn was bin ich,
Daß ich so großer Tat mich unterfinge?
Ich hab ihn nicht ermordet, wenn er umkommt,
Doch seine Rettung wäre meine Tat,
Und jede schwere Folge müßt' ich tragen.

Buttler (herzutretend).
Die Stimme kenn ich.

Gordon.
Buttler!

Buttler.
Es ist Gordon.
Was sucht Ihr hier? Entließ der Herzog Euch
So spät?

Gordon.
Ihr tragt die Hand in einer Binde?

Buttler.
Sie ist verwundet. Dieser Illo focht
Wie ein Verzweifelter, bis wir ihn endlich
Zu Boden streckten –

Gordon (schauert zusammen).
Sie sind tot!

Buttler.
Es ist geschehn.
– Ist er zu Bett?

Gordon.
Ach Buttler!

Buttler (dringend). Ist er? Sprecht!
Nicht lange kann die Tat verborgen bleiben.

Gordon.
Er soll nicht sterben. Nicht durch Euch! Der Himmel
Will Euren Arm nicht. Seht, er ist verwundet.

Buttler.
Nicht meines Armes braucht's.

Gordon.
Die Schuldigen
Sind tot; genug ist der Gerechtigkeit
Geschehn! Laßt dieses Opfer sie versöhnen!

(Kammerdiener kommt den Gang her, mit dem Finger auf dem Mund Stillschweigen gebietend.)

Er schläft! O mordet nicht den heil'gen Schlaf!

Buttler.
Nein, er soll wachend sterben. (Will gehen.)

Gordon.
Ach, sein Herz ist noch
Den ird'schen Dingen zugewendet, nicht
Gefaßt ist er, vor seinen Gott zu treten.

Buttler.
Gott ist barmherzig! (Will gehen.)

Gordon (hält ihn). Nur die Nacht noch gönnt ihm.

Buttler.
Der nächste Augenblick kann uns verraten.

(Will fort.)

Gordon (hält ihn). Nur eine Stunde!

Buttler.
Laßt mich los! Was kann
Die kurze Frist ihm helfen?

Gordon.
O die Zeit ist
Ein wundertät'ger Gott. In einer Stunde rinnen
Viel tausend Körner Sandes, schnell wie sie
Bewegen sich im Menschen die Gedanken.
Nur eine Stunde! Euer Herz kann sich,
Das seinige sich wenden – Eine Nachricht
Kann kommen – ein beglückendes Ereignis
Entscheidend, rettend, schnell vom Himmel fallen –
O was vermag nicht eine Stunde!

Buttler.
Ihr erinnert mich,
Wie kostbar die Minuten sind. (Er stampft auf den Boden.)

                                             Siebenter Auftritt

Macdonald, Deveroux mit Hellebardierern treten hervor. Dann Kammerdiener. Vorige.

Gordon (sich zwischen ihn und jene werfend).
Nein, Unmensch!
Erst über meinen Leichnam sollst du hingehn,
Denn nicht will ich das Gräßliche erleben.

Buttler (ihn wegdrängend).
Schwachsinn'ger Alter!

(Man hört Trompeten in der Ferne.)

Macdonald und Deveroux.
Schwedische Trompeten!
Die Schweden stehn vor Eger! Laßt uns eilen!

Gordon.
Gott! Gott!

Buttler.
An Euren Posten, Kommendant!

(Gordon stürzt hinaus.)

Kammerdiener (eilt herein).
Wer darf hier lärmen? Still, der Herzog schläft!

Deveroux (mit lauter, fürchterlicher Stimme).
Freund! Jetzt ist's Zeit, zu lärmen!

Kammerdiener (Geschrei erhebend).
Hilfe! Mörder!

Buttler.
Nieder mit ihm!

Kammerdiener (von Deveroux durchbohrt, stürzt am Eingang der Galerie).
Jesus Maria!

Buttler.
Sprengt die Türen!

(Sie schreiten über den Leichnam weg den Gang hin. Man hört in der Ferne zwei Türen nach einander stürzen – Dumpfe Stimmen – Waffengetöse – dann plötzlich tiefe Stille.)

                                             Achter Auftritt

Gräfin Terzky (mit einem Lichte).
Ihr Schlafgemach ist leer, und sie ist nirgends
Zu finden, auch die Neubrunn wird vermißt,
Die bei ihr wachte – Wäre sie entflohn?
Wo kann sie hingeflohen sein! Man muß
Nacheilen, alles in Bewegung setzen!
Wie wird der Herzog diese Schreckenspost
Aufnehmen! – Wäre nur mein Mann zurück
Vom Gastmahl! Ob der Herzog wohl noch wach ist?
Mir war's, als hört' ich Stimmen hier und Tritte.
Ich will doch hingehn, an der Türe lauschen.
Horch! wer ist das? Es eilt die Trepp' herauf.

                                             Neunter Auftritt

Gräfin. Gordon. Dann Buttler.

Gordon (eilfertig, atemlos hereinstürzend).
Es ist ein Irrtum – es sind nicht die Schweden.
Ihr sollt nicht weitergehen – Buttler – Gott!
Wo ist er?
(Indem er die Gräfin bemerkt.) Gräfin, sagen Sie –

Gräfin.
Sie kommen von der Burg? Wo ist mein Mann?

Gordon (entsetzt).
Ihr Mann! – O fragen Sie nicht! Gehen Sie
Hinein – (Will fort.)

Gräfin (hält ihn). Nicht eher, bis Sie mir entdecken –

Gordon (heftig dringend).
An diesem Augenblicke hängt die Welt!
Um Gotteswillen, gehen Sie – Indem
Wir sprechen – Gott im Himmel!
(Laut schreiend.) Buttler! Buttler!

Gräfin.
Der ist ja auf dem Schloß mit meinem Mann.

(Buttler kommt aus der Galerie.)

Gordon (der ihn erblickt).
Es war ein Irrtum – Es sind nicht die Schweden –
Die Kaiserlichen sind's, die eingedrungen –
Der Generalleutnant schickt mich her, er wird
Gleich selbst hier sein – Ihr sollt nicht weiter gehn –

Buttler.
Er kommt zu spät.

Gordon (stürzt an die Mauer).
Gott der Barmherzigkeit!

Gräfin (ahnungsvoll).
Was ist zu spät? Wer wird gleich selbst hier sein?
Octavio in Eger eingedrungen?
Verräterei! Verräterei! Wo ist
Der Herzog? (Eilt dem Gange zu.)

                                             Zehnter Auftritt

Vorige. Seni. Dann Bürgermeister. Page. Kammerfrau. Bediente rennen schreckensvoll über die Szene.

Seni (der mit allen Zeichen des Schreckens aus der Galerie kommt).
O blutige, entsetzensvolle Tat!

Gräfin.
Was ist
Geschehen, Seni?

Page (herauskommend).
O erbarmungswürd'ger Anblick!

(Bediente mit Fackeln.)

Gräfin.
Was ist's? Um Gotteswillen!

Seni.
Fragt Ihr noch?
Drinn' liegt der Fürst ermordet, Euer Mann ist
Erstochen auf der Burg.

(Gräfin bleibt erstarrt stehen.)

Kammerfrau (eilt herein).
Hilf'! Hilf' der Herzogin!

Bürgermeister (kommt schreckenvoll).
Was für ein Ruf
Des Jammers weckt die Schläfer dieses Hauses?

Gordon.
Verflucht ist Euer Haus auf ew'ge Tage!
In Eurem Hause liegt der Fürst ermordet.

Bürgermeister.
Das wolle Gott nicht! (Stürzt hinaus.)

Erster Bedienter. Flieht! Flieht! Sie ermorden
Uns alle!

Zweiter Bedienter (Silbergerät tragend).
Da hinaus. Die untern Gänge sind besetzt.

(Hinter der Szene wird gerufen:)

Platz! Platz dem Generalleutnant!

(Bei diesen Worten richtet sich die Gräfin aus ihrer Erstarrung auf, faßt sich und geht schnell ab.)
(Hinter der Szene:)

Besetzt das Tor! Das Volk zurückgehalten!

                                             Elfter Auftritt

Vorige ohne die Gräfin. Octavio Piccolomini tritt herein mit Gefolge. Deveroux und Macdonald kommen zugleich aus dem Hintergrunde mit Hellebardierern. Wallensteins Leichnam wird in einem roten Teppich hinten über die Szene getragen.

Octavio (rasch eintretend).
Es darf nicht sein! Es ist nicht möglich! Buttler!
Gordon! Ich will's nicht glauben. Saget nein.

Gordon (ohne zu antworten, weist mit der Hand nach hinten. Octavio sieht hin und steht von Entsetzen ergriffen).

Deveroux (zu Buttler).
Hier ist das goldne Vlies, des Fürsten Degen!

Macdonald.
Befehlt Ihr, daß man die Kanzlei –

Buttler (auf Octavio zeigend).
Hier steht er,
Der jetzt allein Befehle hat zu geben.

(Deveroux und Macdonald treten ehrerbietig zurück; alles verliert sich still, daß nur allein Buttler, Octavio und Gordon auf der Szene bleiben.)

Octavio (zu Buttlern gewendet).
War das die Meinung, Buttler, als wir schieden?
Gott der Gerechtigkeit! Ich hebe meine Hand auf.
Ich bin an dieser ungeheuren Tat
Nicht schuldig.

Buttler.
Eure Hand ist rein. Ihr habt
Die meinige dazu gebraucht.

Octavio.
Ruchloser!
So mußtest du des Herrn Befehl mißbrauchen
Und blutig grauenvollen Meuchelmord
Auf deines Kaisers heil'gen Namen wälzen?

Buttler (gelassen).
Ich hab des Kaisers Urteil nur vollstreckt.

Octavio.
O Fluch der Könige, der ihren Worten
Das fürchterliche Leben gibt, dem schnell
Vergänglichen Gedanken gleich die Tat,
Die fest unwiderrufliche, ankettet!
Mußt' es so rasch gehorcht sein? Konntest du
Dem Gnädigen nicht Zeit zur Gnade gönnen?
Des Menschen Engel ist die Zeit – die rasche
Vollstreckung an das Urteil anzuheften,
Ziemt nur dem unveränderlichen Gott!

Buttler.
Was scheltet Ihr mich? Was ist mein Verbrechen?
Ich habe eine gute Tat getan,
Ich hab das Reich von einem furchtbarn Feinde
Befreit und mache Anspruch auf Belohnung.
Der einz'ge Unterschied ist zwischen Eurem
Und meinem Tun: Ihr habt den Pfeil geschärft,
Ich hab ihn abgedrückt. Ihr sätet Blut
Und steht bestürzt, daß Blut ist aufgegangen.
Ich wußte immer, was ich tat, und so
Erschreckt und überrascht mich kein Erfolg.
Habt Ihr sonst einen Auftrag mir zu geben?
Denn stehnden Fußes reis ich ab nach Wien,
Mein blutend Schwert vor meines Kaisers Thron
Zu legen und den Beifall mir zu holen,
Den der geschwinde, pünktliche Gehorsam
Von dem gerechten Richter fordern darf. (Geht ab.)

                                             Zwölfter Auftritt

Vorige ohne Buttler. Gräfin Terzky tritt auf, bleich und entstellt. Ihre Sprache ist schwach und langsam, ohne Leidenschaft.

Octavio (ihr entgegen).
O Gräfin Terzky, mußt' es dahin kommen?
Das sind die Folgen unglücksel'ger Taten.

Gräfin.
Es sind die Früchte Ihres Tuns – Der Herzog
Ist tot, mein Mann ist tot, die Herzogin
Ringt mit dem Tode, meine Nichte ist verschwunden.
Dies Haus des Glanzes und der Herrlichkeit
Steht nun verödet, und durch alle Pforten
Stürzt das erschreckte Hofgesinde fort.
Ich bin die Letzte drin, ich schloß es ab
Und liefre hier die Schlüssel aus.

Octavio (mit tiefem Schmerz).
O Gräfin,
Auch mein Haus ist verödet!

Gräfin.
Wer soll noch
Umkommen? Wer soll noch mißhandelt werden?
Der Fürst ist tot, des Kaisers Rache kann
Befriedigt sein. Verschonen Sie die alten Diener!
Daß den Getreuen ihre Lieb und Treu
Nicht auch zum Frevel angerechnet werde!
Das Schicksal überraschte meinen Bruder
Zu schnell, er konnte nicht mehr an sie denken.

Octavio.
Nichts von Mißhandlung! Nichts von Rache, Gräfin!
Die schwere Schuld ist schwer gebüßt, der Kaiser
Versöhnt, nichts geht vom Vater auf die Tochter
Hinüber als sein Ruhm und sein Verdienst.
Die Kaiserin ehrt Ihr Unglück, öffnet Ihnen
Teilnehmend ihre mütterlichen Arme.
Drum keine Furcht mehr! Fassen Sie Vertrauen
Und übergeben Sie sich hoffnungsvoll
Der kaiserlichen Gnade.

Gräfin (mit einem Blick zum Himmel).
Ich vertraue mich
Der Gnade eines größern Herrn – Wo soll
Der fürstliche Leichnam seine Ruhstatt finden?
In der Kartause, die er selbst gestiftet,
Zu Gitschin ruht die Gräfin Wallenstein;
An ihrer Seite, die sein erstes Glück
Gegründet, wünscht' er, dankbar, einst zu schlummern.
O lassen Sie ihn dort begraben sein!
Auch für die Reste meines Mannes bitt ich
Um gleiche Gunst. Der Kaiser ist Besitzer
Von unsern Schlössern, gönne man uns nur
Ein Grab noch bei den Gräbern unsrer Ahnen.

Octavio.
Sie zittern, Gräfin – Sie verbleichen – Gott!
Und welche Deutung geb ich Ihren Reden?

Gräfin (sammelt ihre letzte Kraft und spricht mit Lebhaftigkeit und Adel).
Sie denken würdiger von mir, als daß Sie glaubten,
Ich überlebte meines Hauses Fall.
Wir fühlten uns nicht zu gering, die Hand
Nach einer Königskrone zu erheben –
Es sollte nicht sein – Doch wir denken königlich
Und achten einen freien, mut'gen Tod
Anständiger als ein entehrtes Leben.
– Ich habe Gift – – –

Octavio.
O rettet! helft!

Gräfin.
Es ist zu spät.
In wenig Augenblicken ist mein Schicksal
Erfüllt. (Sie geht ab.)

Gordon.
O Haus des Mordes und Entsetzens!

(Ein Kurier kommt und bringt einen Brief. Gordon tritt ihm entgegen.)

Was gibt's? Das ist das kaiserliche Siegel.

(Er hat die Aufschrift gelesen und übergibt den Brief dem Octavio mit einem Blick des Vorwurfs.)

Dem Fürsten Piccolomini.

(Octavio erschrickt und blickt schmerzvoll zum Himmel.) (Der Vorhang fällt.)