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Don Carlos Infant von Spanien - Kapitel 14 by Friedrich Schiller Lyrics

Genre: misc | Year: 2015

                                             Siebenter Auftritt.
                Der König kommt angekleidet heraus. Die Vorigen.

(Alle nehmen die Hüte ab und weichen zu beiden Seiten aus, indem sie einen halben Kreis um ihn bilden. Stillschweigen.)

König (den ganzen Kreis flüchtig durchschauend).
Bedeckt euch!

(Don Carlos und der Prinz von Parma nähern sich zuerst und küssen dem König die Hand. Er wendet sich mit einiger Freundlichkeit zu dem Letztern, ohne seinen Sohn bemerken zu wollen.)

Eure Mutter, Neffe,
Will wissen, wie man in Madrid mit Euch
Zufrieden sei.

Parma.
Das frage sie nicht eher,
Als nach dem Ausgang meiner ersten Schlacht.

König.
Gebt Euch zufrieden. Auch an Euch wird einst
Die Reihe sein, wenn diese Stämme brechen.
(Zum Herzog von Feria.)

Was bringt Ihr mir?


(ein Knie vor dem König beugend). Der Großcomthur des Ordens
Von Calatrava starb an diesem Morgen.
Hier folgt sein Ritterkreuz zurück.

König (nimmt den Orden und sieht im ganzen Zirkel herum).
Wer wird
Nach ihm am würdigsten es tragen?

(Er winkt Alba zu sich, welcher sich vor ihm auf ein Knie niederläßt, und hängt ihm den Orden um.)

Herzog,
Ihr seid mein erster Feldherr – seid nie mehr,
So wird Euch meine Gnade niemals fehlen.

(Er wird den Herzog von Medina Sidonia gewahr.)

Sieh da, mein Admiral!

Medina Sidonia (nähert sich wankend und kniet vor dem Könige nieder mit gesenktem Haupt).
Das, großer König,
Ist Alles, was ich von der span'schen Jugend
Und der Armada wiederbringe.
König (nach einem langen Stillschweigen).
Gott
Ist über mir – ich habe gegen Menschen,
Nicht gegen Sturm und Klippen sie gesendet –
Seid mir willkommen in Madrid.

(Er reicht ihm die Hand zum Kusse.)

Und Dank,
Daß Ihr in Euch mir einen würd'gen Diener
Erhalten habt! Für diesen, meine Granden,
Erkenn' ich ihn, will ich erkannt ihn wissen.

(Er gibt ihm einen Wink, aufzustehen und sich zu bedecken – dann wendet er sich gegen die Andern.)

Was gibt es noch?

(Zu Don Carlos und dem Prinzen von Parma.)

Ich dank' euch, meine Prinzen.

(Diese treten ab. Die noch übrigen Granden nähern sich und überreichen dem König knieend ihre Papiere. Er durchsieht sie flüchtig und reicht sie dem Herzog von Alba.)

Legt das im Kabinet mir vor – – Bin ich zu Ende?

(Niemand antwortet.)
Wie kommt es denn, daß unter meinen Granden
Sich nie ein Marquis Posa zeigt? Ich weiß
Recht gut, daß dieser Marquis Posa mir
Mit Ruhm gedient. Er lebt vielleicht nicht mehr?
Warum erscheint er nicht?

Lerma.
Der Chevalier
Ist kürzlich erst von Reisen angelangt,
Die er durch ganz Europa unternommen.
So eben ist er in Madrid und wartet
Nur auf den öffentlichen Tag, sich zu
Den Füßen seines Oberherrn zu werfen.

Alba.
Marquis von Posa? – Recht! Das ist der kühne
Malteser, Ihre Majestät, von dem
Der Ruf die schwärmerische That erzählte.
Als auf des Ordensmeisters Aufgebot
Die Ritter sich auf ihrer Insel stellten,
Die Soliman belagern ließ, verschwand
Auf Einmal von Alcalas hoher Schule
Der achtzehnjähr'ge Jüngling. Ungerufen
Stand er vor la Valette. »Man kaufte mir
Das Kreuz,« sagt' er; »ich will es jetzt verdienen.«
Von jenen vierzig Rittern war er einer,
Die gegen Piali, Ulucciali
Und Mustapha und Hassem das Kastell
Sanct Elmo in drei wiederholten Stürmen
Am hohen Mittag hielten. Als es endlich
Erstiegen wird und um ihn alle Ritter
Gefallen, wirft er sich ins Meer und kommt
Allein erhalten an bei la Valette.
Zwei Monate darauf verläßt der Feind
Die Insel, und der Ritter kommt zurück,
Die angefangnen Studien zu enden.

Feria.
Und dieser Marquis Posa war es auch,
Der nachher die berüchtigte Verschwörung
In Catalonien entdeckt und bloß
Durch seine Fertigkeit allein der Krone
Die wichtigste Provinz erhielt.

König.
Ich bin
Erstaunt – Was ist das für ein Mensch, der das
Gethan und unter Dreien, die ich frage,
Nicht einen einz'gen Neider hat? – Gewiß!
Der Mensch besitzt den ungewöhnlichsten
Charakter oder keinen – Wunders wegen
Muß ich ihn sprechen. (Zum Herzog von Alba.) Nach gehörter Messe
Bringt ihn ins Kabinet zu mir.

(Der Herzog geht ab. Der König ruft Feria.)
Und Ihr
Nehmt meine Stelle im geheimen Rathe. (Er geht ab.)

Feria.
Der Herr ist heut sehr gnädig.

Medina Sidonia.
Sagen Sie:
Er ist ein Gott! – Er ist es mir gewesen.

Feria.
Wie sehr verdienen Sie Ihr Glück! Ich nehme
Den wärmsten Antheil, Admiral.

Einer von den Granden.
Auch ich.

Ein Zweiter.
Ich wahrlich auch.

Ein Dritter.
Das Herz hat mir geschlagen.
Ein so verdienter General!

Der Erste.
Der König
War gegen Sie nicht gnädig – nur gerecht.

Lerma (im Abgehen zu Medina Sidonia).
Wie reich sind Sie auf einmal durch zwei Worte! (Alle gehen ab.)

                                             Das Kabinet des Königs.                                              Achter Auftritt.
                            Marquis von Posa und Herzog von Alba.

Marquis (im Hereintreten).
Mich will er haben? Mich – Das kann nicht sein.
Sie irren sich im Namen – Und was will
Er denn von mir?

Alba.
Er will Sie kennen lernen.

Marquis.
Der bloßen Neugier wegen – O, dann Schade
Um den verlornen Augenblick – das Leben
Ist so erstaunlich schnell dahin.

Alba.
Ich übergebe
Sie Ihrem guten Stern. Der König ist
In Ihren Händen. Nützen Sie, so gut
Sie können, diesen Augenblick, und sich,
Sich selber schreiben Sie es zu, geht er
Verloren. (Er entfernt sich.)

                                             Neunter Auftritt.
                                            Der Marquis allein.

Wohl gesprochen, Herzog. Nützen
Muß man den Augenblick, der einmal nur
Sich bietet. Wahrlich, dieser Höfling gibt
Mir eine gute Lehre – wenn auch nicht
In seinem Sinne gut, doch in dem meinen.

(Nach einigem Auf- und Niedergehen.)

Wie komm' ich aber hieher? – Eigensinn
Des launenhaften Zufalls wär' es nur,
Was mir mein Bild in diesen Spiegeln zeigt?
Aus einer Million gerade mich,
Den Unwahrscheinlichsten, ergriff und im
Gedächtnisse des Königs auferweckte?
Ein Zufall nur? Vielleicht auch mehr – und was
Ist Zufall anders, als der rohe Stein,
Der Leben annimmt unter Bildners Hand?
Den Zufall gibt die Vorsehung – zum Zwecke
Muß ihn der Mensch gestalten – Was der König
Mit mir auch wollen mag, gleichviel! – Ich weiß,
Was ich – ich mit dem König soll – und wär's
Auch eine Feuerglocke Wahrheit nur,
In des Despoten Seele kühn geworfen –
Wie fruchtbar in der Vorsicht Hand! So könnte,
Was erst so grillenhaft mir schien, sehr zweckvoll
Und sehr besonnen sein. Sein oder nicht
Gleichviel! In diesem Glauben will ich handeln.

(Er macht einige Gänge durch das Zimmer und bleibt endlich in ruhiger Betrachtung vor einem Gemälde stehen. Der König erscheint in dem angrenzenden Zimmer, wo er einige Befehle gibt. Alsdann tritt er herein, steht an der Thüre still und sieht dem Marquis eine Zeit lang zu, ohne von ihm bemerkt zu werden.)