Die Räuber 4. Akt - 3. Scene by Friedrich Schiller Lyrics
Anderes Zimmer im Schloß.
Räuber Moor von der einen, Daniel von der andern.
Moor (hastig). Wo ist das Fräulein?
Daniel. Gnädiger Herr! Erlaubt einem armen Mann, Euch um etwas zu bitten.
Moor. Es ist dir gewährt, was willst du?
Daniel. Nicht viel und Alles, so wenig und doch so viel – laßt mich Eure Hand küssen!
Moor. Das sollst du nicht, guter Alter! (umarmt ihn) den ich Vater nennen möchte.
Daniel. Eure Hand, Eure Hand! ich bitt' Euch.
Moor. Du sollst nicht.
Daniel. Ich muß! (Er greift sie, betrachtet sie schnell und fällt vor ihm nieder.) Lieber, bester Karl!
Moor (erschrickt, faßt sich, fremd). Freund, was sagst du? Ich verstehe dich nicht.
Daniel. Ja, leugnet es nur, verstellt Euch! Schön, schön! Ihr seid immer mein bester, köstlicher Junker – Lieber Gott, daß ich alter Mann noch die Freude – dummer Tölpel ich, daß ich Euch nicht gleich – Ei du himmlischer Vater! So seid Ihr ja wiedergekommen, und der alte Herr ist unterm Boden, und da seid Ihr ja wieder – was für ein blinder Esel ich doch war (sich vor den Kopf schlagend), daß ich Euch nicht im ersten Hui – Ei du mein! Wer hätte sich das träumen lassen! – Um was ich mit Thränen betete, – Jesus Christus! Da steht er ja leibhaftig wieder in der alten Stube!
Moor. Was ist das für eine Sprache? Seid Ihr vom hitzigen Fieber aufgesprungen? oder wollt Ihr eine Komödienrolle an mir probiren?
Daniel. Ei pfui doch, pfui doch! Das ist nicht fein, einen alten Knecht so zum Besten haben – Diese Narbe! He, wißt Ihr noch? – Großer Gott! Was Ihr mir da für Angst einjagtet – ich hab' Euch immer so lieb gehabt, und was Ihr mir da für Herzeleid hättet anrichten können – Ihr saßt mir im Schooß – wißt Ihr noch? – dort in der runden Stube – gelt, Vogel! Das habt Ihr freilich vergessen – auch den Kukuk, den Ihr so gern hörtet – denkt doch! der Kukuk ist zerschlagen, in Grundsboden geschlagen – die alte Susel hat ihn verwettert, wie sie die Stube fegte – ja freilich, und da saßt Ihr mir im Schooß und rieft: Hotto! und ich lief fort, Euch den Hottogaul zu holen – Jesus Gott! warum mußt' ich alter Esel auch fortlaufen? – und wie mir's siedigheiß über den Buckel lief – wie ich das Zetergeschrei höre draußen im Öhrn, spring' herein, und da lief das helle Blut, und laget am Boden, und hattet – heilige Mutter Gottes! war mir's nicht, als wenn mir ein Kübel eiskalt Wasser übern Nacken spritzte – aber so geht's, wenn man nicht alle Augen auf die Kinder hat. Großer Gott, wenn's ins Aug gegangen wäre – War's dazu noch die rechte Hand. Mein Lebenstag, sagt' ich, soll mir kein Kind mehr ein Messer oder eine Scheere, oder so was Spitziges, sagt' ich – in die Hände kriegen, sagt' ich – war zum Glück noch Herr und Frau verreiset – ja, ja, das soll mir mein Tag des Lebens eine Warnung sein, sagt' ich – Jemini, Jemini! ich hätte vom Dienst kommen können, ich hätte – Gott der Herr verzeih's Euch, gottloses Kind – aber Gottlob! es heilte glücklich, bis auf die wüste Narbe.
Moor. Ich begreife kein Wort von Allem, was du sagst.
Daniel. Ja gelt, galt? Das war noch eine Zeit? Wie manches Zuckerbrod, oder Biscuit, oder Macrone ich Euch hab' zugeschoben, hab' Euch immer am gernsten gehabt, und wißt Ihr noch, was Ihr mir drunten sagtet im Stall, wie ich Euch auf des alten Herrn seinen Schweißfuchsen setzte und Euch auf der großen Wiese ließ herumjagen? Daniel, sagtet Ihr, laß mich nur einen großen Mann werden, Daniel, so sollst du mein Verwalter sein und mit mir in der Kutsche fahren, – ja, sagt' ich und lachte, wenn Gott Leben und Gesundheit schenkt, und Ihr Euch eines alten Mannes nicht schämen werdet, sagt' ich, so will ich Euch bitten, mir das Häuschen drunten im Dorf zu räumen, das schon eine gute Weil leer steht, und da wollt' ich mir ein Eimer zwanzig Wein einlegen und wirthschaften in meinen alten Tagen. – Ja, lacht nur, lacht nur! Gelt, junger Herr, das habt Ihr rein ausgeschwitzt? – den alten Mann will man nicht kennen, da thut man so fremd, so fürnehm – o Ihr seid doch mein goldiger Junker – freilich halt ein Bischen luker gewesen – nehmt mir's nicht übel! – wie's eben das junge Fleisch meistens ist – am Ende kann noch Alles gut werden.
Moor (fällt ihm um den Hals). Ja, Daniel, ich will's nicht mehr verhehlen! Ich bin dein Karl, dein verlorner Karl! Was macht meine Amalia?
Daniel (fängt an zu weinen). Daß ich alter Sünder noch die Freude haben soll, – und der Herr selig weinete umsonst! – Abe, abe, weißer Schädel! mürbe Knochen, fahret in die Grube mit Freuden! Mein Herr und Meister lebt, ihn haben meine Augen gesehen!
Moor. Und will halten, was er versprochen hat, – nimm das, ehrlicher Graukopf, für den Schweißfuchsen im Stall; (drängt ihm einen schweren Beutel auf) nicht vergessen hab' ich den alten Mann.
Daniel. Wie? was treibt Ihr? Zu viel, Ihr habt Euch vergriffen.
Moor. Nicht vergriffen, Daniel! (Daniel will niederfallen.) Steh auf! sage mir, was macht meine Amalia?
Daniel. Gottes Lohn! Gottes Lohn! Ei, Herr Jerem! – Eure Amalia, oh, die wird's nicht überleben, die wird sterben vor Freude!
Moor (heftig). Sie vergaß mich nicht?
Daniel. Vergessen? Wie schwätzt Ihr wieder? Euch vergessen? – da hättet Ihr sollen dabei sein, hättet's sollen mit ansehen, wie sie sich geberdete, als die Zeitung kam, Ihr wärt gestorben, die der gnädige Herr ausstreuen ließ –
Moor. Was sagst du? mein Bruder –
Daniel. Ja, Euer Bruder, der gnädige Herr, Euer Bruder – ich will Euch ein andermal mehr davon erzählen, wenn's Zeit dazu ist – und wie sauber sie ihm abkappte, wenn er ihr alle Tage, die Gott schickt, seinen Antrag machte und sie zur gnädigen Frau machen wollte. O ich muß hin, muß hin, ihr sagen, ihr die Botschaft bringen. (Will fort.)
Moor. Halt, halt! sie darf's nicht wissen, darf's Niemand wissen, auch mein Bruder nicht. –
Daniel. Euer Bruder? Nein, beileibe nicht, er darf's nicht wissen! Er gar nicht! – Wenn er nicht schon mehr weiß, als er wissen darf – Oh, ich sage Euch, es gibt garstige Menschen, garstige Brüder, garstige Herren – aber ich möcht' um alles Gold meines Herrn willen kein garstiger Knecht sein – der gnädige Herr hielt Euch todt.
Moor. Hm! was brummst du da?
Daniel (leiser). Und wenn man freilich so ungebeten aufersteht – Euer Bruder war des Herrn selig einziger Erbe –
Moor. Alter! – was murmelst du da zwischen den Zähnen, als wenn irgend ein Ungeheuer von Geheimniß auf deiner Zunge schwebte, das nicht heraus wollte und doch heraus sollte? Rede deutlicher!
Daniel. Aber ich will lieber meine alten Knochen abnagen vor Hunger, lieber vor Durst mein eigenes Wasser saufen, als Wohlleben die Fülle verdienen mit einem Todtschlag. (Schnell ab.)
Moor auffahrend aus einer schrecklichen Pause.
Betrogen, betrogen! da fährt es über meine Seele wie der Blitz! – Spitzbübische Künste! Himmel und Hölle! Nicht du, Vater! Spitzbübische Künste! Mörder, Räuber durch spitzbübische Künste! Angeschwärzt von ihm! verfälscht, unterdrückt meine Briefe – voll Liebe sein Herz – oh ich Ungeheuer von einem Thoren – voll Liebe sein Vaterherz – oh Schelmerei, Schelmerei! Es hätte mich einen Fußfall gekostet – es hätte mich eine Thräne gekostet – oh ich blöder, blöder, blöder Thor! (Wider die Wand rennend). Ich hätte glücklich sein können – o Büberei, Büberei! das Glück meines Lebens bübisch, bübisch hinwegbetrogen. (Er läuft wüthend auf und nieder.) Mörder, Räuber durch spitzbübische Künste! – Er grollte nicht einmal. Nicht ein Gedanke von Fluch in seinem Herzen – Oh Bösewicht! unbegreiflicher, schleichender, abscheulicher Bösewicht!
Kosinsky kommt.
Kosinsky. Nun, Hauptmann, wo steckst du? Was ist's? Du willst noch länger hier bleiben, merk' ich.
Moor. Auf! Sattle die Pferde! Wir müssen vor Sonnenuntergang noch über den Grenzen sein!
Kosinsky. Du spaßest.
Moor (befehlend). Hurtig, hurtig! Zaudre nicht lang, laß Alles da! und daß kein Aug dich gewahr wird. (Kosinsky ab.)
Moor.
Ich fliehe aus diesen Mauern. Der geringste Verzug könnte mich wüthig machen, und er ist meines Vaters Sohn – Bruder, Bruder! du hast mich zum Elendesten auf Erden gemacht, ich habe dich niemals beleidigt, es war nicht brüderlich gehandelt – Ernte die Früchte deiner Unthat in Ruhe, meine Gegenwart soll dir den Genuß nicht länger vergällen – aber gewiß, es war nicht brüderlich gehandelt. Finsterniß verlösche sie auf ewig, und der Tod rühre sie nicht auf.
Kosinsky.
Kosinsky. Die Pferde stehn gesattelt, Ihr könnt aufsitzen, wenn Ihr wollt.
Moor. Presser, Presser! Warum so eilig? Soll ich sie nicht mehr sehn?
Kosinsky. Ich zäume gleich wieder ab, wenn Ihr's haben wollt; Ihr hießt mich ja über Hals und Kopf eilen.
Moor. Noch einmal! ein Lebewohl noch! ich muß den Gifttrank dieser Seligkeit vollends ausschlürfen, und dann – halt, Kosinsky! zehn Minuten noch – hinten am Schloßhof – und wir sprengen davon!
Räuber Moor von der einen, Daniel von der andern.
Moor (hastig). Wo ist das Fräulein?
Daniel. Gnädiger Herr! Erlaubt einem armen Mann, Euch um etwas zu bitten.
Moor. Es ist dir gewährt, was willst du?
Daniel. Nicht viel und Alles, so wenig und doch so viel – laßt mich Eure Hand küssen!
Moor. Das sollst du nicht, guter Alter! (umarmt ihn) den ich Vater nennen möchte.
Daniel. Eure Hand, Eure Hand! ich bitt' Euch.
Moor. Du sollst nicht.
Daniel. Ich muß! (Er greift sie, betrachtet sie schnell und fällt vor ihm nieder.) Lieber, bester Karl!
Moor (erschrickt, faßt sich, fremd). Freund, was sagst du? Ich verstehe dich nicht.
Daniel. Ja, leugnet es nur, verstellt Euch! Schön, schön! Ihr seid immer mein bester, köstlicher Junker – Lieber Gott, daß ich alter Mann noch die Freude – dummer Tölpel ich, daß ich Euch nicht gleich – Ei du himmlischer Vater! So seid Ihr ja wiedergekommen, und der alte Herr ist unterm Boden, und da seid Ihr ja wieder – was für ein blinder Esel ich doch war (sich vor den Kopf schlagend), daß ich Euch nicht im ersten Hui – Ei du mein! Wer hätte sich das träumen lassen! – Um was ich mit Thränen betete, – Jesus Christus! Da steht er ja leibhaftig wieder in der alten Stube!
Moor. Was ist das für eine Sprache? Seid Ihr vom hitzigen Fieber aufgesprungen? oder wollt Ihr eine Komödienrolle an mir probiren?
Daniel. Ei pfui doch, pfui doch! Das ist nicht fein, einen alten Knecht so zum Besten haben – Diese Narbe! He, wißt Ihr noch? – Großer Gott! Was Ihr mir da für Angst einjagtet – ich hab' Euch immer so lieb gehabt, und was Ihr mir da für Herzeleid hättet anrichten können – Ihr saßt mir im Schooß – wißt Ihr noch? – dort in der runden Stube – gelt, Vogel! Das habt Ihr freilich vergessen – auch den Kukuk, den Ihr so gern hörtet – denkt doch! der Kukuk ist zerschlagen, in Grundsboden geschlagen – die alte Susel hat ihn verwettert, wie sie die Stube fegte – ja freilich, und da saßt Ihr mir im Schooß und rieft: Hotto! und ich lief fort, Euch den Hottogaul zu holen – Jesus Gott! warum mußt' ich alter Esel auch fortlaufen? – und wie mir's siedigheiß über den Buckel lief – wie ich das Zetergeschrei höre draußen im Öhrn, spring' herein, und da lief das helle Blut, und laget am Boden, und hattet – heilige Mutter Gottes! war mir's nicht, als wenn mir ein Kübel eiskalt Wasser übern Nacken spritzte – aber so geht's, wenn man nicht alle Augen auf die Kinder hat. Großer Gott, wenn's ins Aug gegangen wäre – War's dazu noch die rechte Hand. Mein Lebenstag, sagt' ich, soll mir kein Kind mehr ein Messer oder eine Scheere, oder so was Spitziges, sagt' ich – in die Hände kriegen, sagt' ich – war zum Glück noch Herr und Frau verreiset – ja, ja, das soll mir mein Tag des Lebens eine Warnung sein, sagt' ich – Jemini, Jemini! ich hätte vom Dienst kommen können, ich hätte – Gott der Herr verzeih's Euch, gottloses Kind – aber Gottlob! es heilte glücklich, bis auf die wüste Narbe.
Moor. Ich begreife kein Wort von Allem, was du sagst.
Daniel. Ja gelt, galt? Das war noch eine Zeit? Wie manches Zuckerbrod, oder Biscuit, oder Macrone ich Euch hab' zugeschoben, hab' Euch immer am gernsten gehabt, und wißt Ihr noch, was Ihr mir drunten sagtet im Stall, wie ich Euch auf des alten Herrn seinen Schweißfuchsen setzte und Euch auf der großen Wiese ließ herumjagen? Daniel, sagtet Ihr, laß mich nur einen großen Mann werden, Daniel, so sollst du mein Verwalter sein und mit mir in der Kutsche fahren, – ja, sagt' ich und lachte, wenn Gott Leben und Gesundheit schenkt, und Ihr Euch eines alten Mannes nicht schämen werdet, sagt' ich, so will ich Euch bitten, mir das Häuschen drunten im Dorf zu räumen, das schon eine gute Weil leer steht, und da wollt' ich mir ein Eimer zwanzig Wein einlegen und wirthschaften in meinen alten Tagen. – Ja, lacht nur, lacht nur! Gelt, junger Herr, das habt Ihr rein ausgeschwitzt? – den alten Mann will man nicht kennen, da thut man so fremd, so fürnehm – o Ihr seid doch mein goldiger Junker – freilich halt ein Bischen luker gewesen – nehmt mir's nicht übel! – wie's eben das junge Fleisch meistens ist – am Ende kann noch Alles gut werden.
Moor (fällt ihm um den Hals). Ja, Daniel, ich will's nicht mehr verhehlen! Ich bin dein Karl, dein verlorner Karl! Was macht meine Amalia?
Daniel (fängt an zu weinen). Daß ich alter Sünder noch die Freude haben soll, – und der Herr selig weinete umsonst! – Abe, abe, weißer Schädel! mürbe Knochen, fahret in die Grube mit Freuden! Mein Herr und Meister lebt, ihn haben meine Augen gesehen!
Moor. Und will halten, was er versprochen hat, – nimm das, ehrlicher Graukopf, für den Schweißfuchsen im Stall; (drängt ihm einen schweren Beutel auf) nicht vergessen hab' ich den alten Mann.
Daniel. Wie? was treibt Ihr? Zu viel, Ihr habt Euch vergriffen.
Moor. Nicht vergriffen, Daniel! (Daniel will niederfallen.) Steh auf! sage mir, was macht meine Amalia?
Daniel. Gottes Lohn! Gottes Lohn! Ei, Herr Jerem! – Eure Amalia, oh, die wird's nicht überleben, die wird sterben vor Freude!
Moor (heftig). Sie vergaß mich nicht?
Daniel. Vergessen? Wie schwätzt Ihr wieder? Euch vergessen? – da hättet Ihr sollen dabei sein, hättet's sollen mit ansehen, wie sie sich geberdete, als die Zeitung kam, Ihr wärt gestorben, die der gnädige Herr ausstreuen ließ –
Moor. Was sagst du? mein Bruder –
Daniel. Ja, Euer Bruder, der gnädige Herr, Euer Bruder – ich will Euch ein andermal mehr davon erzählen, wenn's Zeit dazu ist – und wie sauber sie ihm abkappte, wenn er ihr alle Tage, die Gott schickt, seinen Antrag machte und sie zur gnädigen Frau machen wollte. O ich muß hin, muß hin, ihr sagen, ihr die Botschaft bringen. (Will fort.)
Moor. Halt, halt! sie darf's nicht wissen, darf's Niemand wissen, auch mein Bruder nicht. –
Daniel. Euer Bruder? Nein, beileibe nicht, er darf's nicht wissen! Er gar nicht! – Wenn er nicht schon mehr weiß, als er wissen darf – Oh, ich sage Euch, es gibt garstige Menschen, garstige Brüder, garstige Herren – aber ich möcht' um alles Gold meines Herrn willen kein garstiger Knecht sein – der gnädige Herr hielt Euch todt.
Moor. Hm! was brummst du da?
Daniel (leiser). Und wenn man freilich so ungebeten aufersteht – Euer Bruder war des Herrn selig einziger Erbe –
Moor. Alter! – was murmelst du da zwischen den Zähnen, als wenn irgend ein Ungeheuer von Geheimniß auf deiner Zunge schwebte, das nicht heraus wollte und doch heraus sollte? Rede deutlicher!
Daniel. Aber ich will lieber meine alten Knochen abnagen vor Hunger, lieber vor Durst mein eigenes Wasser saufen, als Wohlleben die Fülle verdienen mit einem Todtschlag. (Schnell ab.)
Moor auffahrend aus einer schrecklichen Pause.
Betrogen, betrogen! da fährt es über meine Seele wie der Blitz! – Spitzbübische Künste! Himmel und Hölle! Nicht du, Vater! Spitzbübische Künste! Mörder, Räuber durch spitzbübische Künste! Angeschwärzt von ihm! verfälscht, unterdrückt meine Briefe – voll Liebe sein Herz – oh ich Ungeheuer von einem Thoren – voll Liebe sein Vaterherz – oh Schelmerei, Schelmerei! Es hätte mich einen Fußfall gekostet – es hätte mich eine Thräne gekostet – oh ich blöder, blöder, blöder Thor! (Wider die Wand rennend). Ich hätte glücklich sein können – o Büberei, Büberei! das Glück meines Lebens bübisch, bübisch hinwegbetrogen. (Er läuft wüthend auf und nieder.) Mörder, Räuber durch spitzbübische Künste! – Er grollte nicht einmal. Nicht ein Gedanke von Fluch in seinem Herzen – Oh Bösewicht! unbegreiflicher, schleichender, abscheulicher Bösewicht!
Kosinsky kommt.
Kosinsky. Nun, Hauptmann, wo steckst du? Was ist's? Du willst noch länger hier bleiben, merk' ich.
Moor. Auf! Sattle die Pferde! Wir müssen vor Sonnenuntergang noch über den Grenzen sein!
Kosinsky. Du spaßest.
Moor (befehlend). Hurtig, hurtig! Zaudre nicht lang, laß Alles da! und daß kein Aug dich gewahr wird. (Kosinsky ab.)
Moor.
Ich fliehe aus diesen Mauern. Der geringste Verzug könnte mich wüthig machen, und er ist meines Vaters Sohn – Bruder, Bruder! du hast mich zum Elendesten auf Erden gemacht, ich habe dich niemals beleidigt, es war nicht brüderlich gehandelt – Ernte die Früchte deiner Unthat in Ruhe, meine Gegenwart soll dir den Genuß nicht länger vergällen – aber gewiß, es war nicht brüderlich gehandelt. Finsterniß verlösche sie auf ewig, und der Tod rühre sie nicht auf.
Kosinsky.
Kosinsky. Die Pferde stehn gesattelt, Ihr könnt aufsitzen, wenn Ihr wollt.
Moor. Presser, Presser! Warum so eilig? Soll ich sie nicht mehr sehn?
Kosinsky. Ich zäume gleich wieder ab, wenn Ihr's haben wollt; Ihr hießt mich ja über Hals und Kopf eilen.
Moor. Noch einmal! ein Lebewohl noch! ich muß den Gifttrank dieser Seligkeit vollends ausschlürfen, und dann – halt, Kosinsky! zehn Minuten noch – hinten am Schloßhof – und wir sprengen davon!