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Der Freischütz: Erster Aufzug - IV. Lied: Hier im irdschen Jammertal by Carl Maria von Weber Lyrics

Genre: misc | Year: 1821

MAX, KASPAR von links herbeischleichend

KASPAR:
Da bist du ja noch, Kamerad! Gut, dass ich dich finde.

MAX:
Horchst du schon wieder?

KASPAR:
Ist das mein Dank? Es fiel mir unterwegs ein guter Rat für dich ein; aus treumeinendem Herzen stehle ich mich fort und laufe mich fast außer Atem! Ich kann's, kann's nicht verschmerzen, dass du hier zum Spott der Bauern geworden bist. Teufel! Die mögen gelacht haben! Ha ha ha! Aber was hilft's! Schlag' dir's aus den Gedanken, Bruderherz! (greift nach dem Kruge) Wie? Was? Bier hast du? Das taugt nicht zum Sorgenbrecher. (ruft in den Schankgiebel) Wein! Wein! Zwei Becher! - Kamerad! Und koste es mich den letzten Heller, ich kann dich nicht so traurig seh'n! Du musst mit mir trinken! (Das Geforderte ist indes von einem Schenkmädchen gebracht worden. KASPAR zu dem Mädchen) Lass ankreiden! (Mädchen geht unwillig ab)

MAX:
Damit verschone mich! Mein Kopf ist ohnedies wüst genug. (Legt den Kopf in die Hände.)

KASPAR:
(gießt geschwind aus einem Fläschchen etwas in das für MAX bestimmte Glas. Für sich:)
So, Freundchen! Da brauchst du wenig! (gießt schnell Wein ein) Hilf Samiel! (SAMIEL schaut aus dem Gebüsch) Du da? (SAMIEL verschwindet)

MAX:
(auffahrend)
Mit wem sprachst du?
KASPAR:
Ich? Mit niemandem. Ich sagte: »So, Freundchen!«, weil ich dir einschenkte.

MAX:
Ich mag aber nichts.

KASPAR:
Der Herr Förster soll leben! Die Gesundheit deines Lehnherren wirst du doch mittrinken?

MAX:
So sei's! (Sie stoßen an und trinken)

KASPAR: So lass uns ein singen.

Lied, Allegro feroce, ma non troppo presto

Erste Strophe

KASPAR:
Hier im ird'schen Jammertal war' doch nichts als Plack und Qual, trüg' der Stock nicht Trauben:
Darum bis zum letzten Hauch setz' ich auf Gott Bacchus Bauch meinen festen Glauben!

KASPAR:
Ei, du musst auch mitsingen. (trinkt)

MAX:
Lass mich!
KASPAR:
Jungfrau Agathe soll leben! Wer die Gesundheit seiner Braut ausschlüge, wär' doch wahrlich ein Schuft!

MAX:
Du wirst unverschämt. (Sie stoßen an und trinken)

Zweite Strophe

KASPAR:
Eins ist Eins und Drei sind Drei! Drum addiert noch zweierlei zu dem Saft der Reben:
Kartenspiel und Würfellust, und ein Kind mit runder Brust hilft zum ew'gen Leben!

KASPAR:
Mit dir ist aber auch gar nichts anzufangen. (trinkt)

MAX:
Wie kannst du mir zumuten, in so etwas einzustimmen.

KASPAR:
Unser Herr Fürst soll leben! Wer nicht dabei ist, wär' ein Judas!

MAX:
Nun denn, aber dann auch keinen Tropfen mehr. (Sie stoßen und und trinken. Max weht sich mit dem Hute Luft zu und gibt sonst zu erkennen, dass ihm heiß ist.)

Dritte Strophe
Ohne dies Trifolium gibt's kein wahres Gaudium seit dem ersten Übel.
Fläschchen sei mein ABC, Würfel, Karte, Katherle meine Bilderfibel!
MAX:
Bube! Agathe hat recht, wenn sie mich immer vor dir warnt. (Will fort, ist leicht berauscht)

KASPAR:
Wie kannst du auch gleich so in Harnisch geraten, Bruderherz? Ich diente noch als Bube in der letzten Fehde. Unterm Kriegsvolk lernt man solche Schelmliedlein. (Es schägt sieben Uhr. Max steht auf) Willst du schon nach Hause?

MAX:
Ja, es wird Zeit. Es schlug sieben!

KASPAR:
Zu Agathen? Das rat' ich dir nicht - du könntest sie erschrecken. Weißt du nicht, dass sie auf einen Gewinn als gute Vorbedeutung für morgen hofft?

MAX:
Ach die Arme! Und ich selbst! Morgen!

KASPAR:
Deshalb bleib' noch und lass dir raten! Dir könnte gar wohl geholfen werden!

MAX:
Mir geholfen?

KASPAR:
(geheimnisvoll)
Um dir ganz meine Freundschaft zu beweisen, könnte ich dir unter vier Augen - nicht umsonst habe ich gegen dich zuweilen ein Wort fallen lassen. - Es gibt allerdings gewisse geheime unschuldige Jagdkünste - diese Nacht, wo sich die Mondscheibe verfinstert, ist zu großen Dingen geschickt. - Ein alter Bergjäger hat mir einmal vertraut -

Man sieht SAMIEL zuweilen lauschen, ohne dass ihn die Sprechenden bemerken

MAX:
Du missest mir das Gift tropfenweis zu.

KASPAR:
Wie wär's, Kamerad, wenn ich dir noch heute zu einem recht glücklichen Schuss verhülfe, der Agathen beruhigte und zugleich euer morgendes Glück verbürgte?

MAX:
Du fragst wunderbar. Wie ist das möglich?

KASPAR:
Nur Mut, Mut! Was die Augen sehen, glaubt das Herz. Da nimm meine Büchse.

MAX:
Was soll ich damit?

KASPAR:
Geduld! (schaut in die Höhe) Zeigt sich denn nichts? Da, da! Siehst du den Stößer dort? Schieß'! (gibt ihm das Gewehr)

MAX:
Bist du ein Narr? Oder glaubst du ich bin's? Es ist schon ganz düster, der Vogel schwebt wie ein schwarzer Punkt in der Luft, wolkenhoch über der Schussweite!

KASPAR:
Schieß in's T- ...Schellenobers Namen! Ha ha!

MAX berührt wie im Zweifel den Stecher; das Gewehr geht los. In demselben Augenblick hört man gellendes Gelächter, so dass sich Max erschrocken nach Kaspar umsieht.

MAX:
Was lachst du? Wie Fittiche der Unterwelt kreist's dort oben -

Ein mächtiger Steinadler schwebt einen Augenblick wirbelnd in der Luft und stürzt dann tot zu Maxens Füssen

MAX:
Was ist das?

KASPAR:
(der ihn aufhebt)
Der größte Steinadler, den es gibt! Was für Fänge, und wie herrlich getroffen! Gleich unterm Flügel, sonst nichts verletzt! Kannst ihn ausstopfen lassen, Bruder, für ein Naturalienkabinett.

MAX:
Aber ich begreife nicht - diese Büchse ist doch wie jede andere.

KASPAR:
Victoria! (Reißt dem Adler eine Feder aus und steckt sie dem Max auf seinen Hut) Das wird dich bei den Bauern in Respekt setzen, das wird Agathen erfreuen! - So, Kamerad! Dies als Siegeszeichen.

MAX:
Was machst du, wird mir doch ganz schauerlich. Was hast du geladen? Was war das für eine Kugel?

KASPAR
Gar keine Kugel, Närrchen. Eine trächtige Blindschleiche, die trifft allemal.

MAX
Träum' ich denn? - Oder bin ich berauscht? So etwas ist mir noch nie begegne, Kaspar! ich bitte dich, ich beschwöre dich, (fasst ihn) Kaspar, ich bring' dich um! Sag', was war das für eine Kugel?

KASPAR:
Bist du verwirrt vor Freuden? Ich teile sie mit dir! (umarmt ihn) Das war ein Schuss? Lass' mich los!

MAX:
(lässt ihn los)
Wo hast du die Kugel her?

KASPAR:
Nun, wenn du Vernunft annimmst - So sag' mir, du, der wackerste Jäger, bist du, oder stellst du dich nur so unerfahren? Wüsstest du wirklich nicht, was eine Freikugel sagen will?

MAX:
Albernes Geschwätz.

KASPAR:
Da lernt man's doch besser unter dem Kriegsvolk. Ha, ha! Wie kämen die Scharfschützen zurecht, die ihren Mann aus dem dicksten Pulverdampf herausschießen? Doch zu so etwas bedarf's anderer Künste, als bloß zu zielen und loszudrücken.

MAX:
(den Adler betrachtend)
Der Schuss ist unglaublich! In trüber Dämmerung aus den Wolken herabgeholt! - So wäre es doch wahr?

KASPAR:
Zudem ist's wohl zweierlei, einem armen Erdensohne aus dem Hinterhalt das Lebenslicht ausblasen und sich eine Erbförsterei und ein allerliebstes Mädchen erschießen.

MAX:
Hast du noch mehr solche Kugeln?

KASPAR:
Es war die letzte - sie haben gerade ausgereicht.

Pause

MAX:
Bist du doch auf einmal so wortkarg! Ausgereicht? Wie verstehst du das?

KASPAR:
Weil sie in dieser Nacht zu bekommen sind.

MAX:
In dieser Nacht?

KASPAR:
Ja doch! Drei Tage hintereinander steht jetzt die Sonne im Schützen, und heut' ist der mittelste; heut', wenn sich die Tage scheiden, gibt's eine totale Mondfinsternis! Max! Kamerad! Dein Schicksal steht unter dem Einfluss günstiger Gestirne! Du bist zu hohen Dingen ausersehen! Heute, gerade in der Nacht zuvor, ehe du den Probeschuss tun, Amt und Braut dir gewinnen sollst, wo du der Hülfe unsichtbarer Mächte so sehr bedarfst, beut die Natur selbst sich zu deinem Dienste!

MAX:
Wohl! Mein Geschick will's. Schaffe mir so eine Kugel!

KASPAR:
Mehr als du brauchst! Aber bedarf der Mann eines Vormunds?

MAX:
Wie erlangt man sie?

KASPAR:
Das will ich dich lehren. Sei punkt zwölf Uhr in der Wolfsschlucht!

MAX:
Um Mitternacht in der Wolfsschlucht? Nein! Die Schlucht ist verrufen, und um Mitternacht öffnen sich die Pforten der Hölle.

KASPAR:
Pah! - Wie du denkst! - Und doch kann ich dich deinem Unstern nicht überlassen. Ich bin dein Freund. Ich will dir gießen helfen.

MAX:
Auch das nicht.

KASPAR:
So mache dich morgen zum Landesgespött, verlier die Försterei und Agathen. - Ich bin dein Freund, ich will selbst für dich gießen, aber dabei musst du sein.

MAX:
Deine Zunge ist glatt. - Nein, an solche Dinge muss ein frommer Jäger nicht denken!

KASPAR:
Feigling! Also nur durch fremde Gefahr, gäb's anders dergleichen, - möchtest du dein Glück erkaufen? Und glaubst du, dann wäre deine Schuld, - gäb' es dergleichen - geringer? Glaubst du, diese Schuld, - gäb' es dergleichen, laste nicht schon auf dir? Glaubst du, dieser Adler sei dir geschenkt?
(den Adler ausspreizend)

MAX:
Furchtbar, wenn die recht hättest!

KASPAR:
Sonderbar, wie du fragst! Doch Undank ist der Welt Lohn. - Ich will mir hier einen Flederwisch abhauen, dass ich wenigstens etwas davontrage. (haut einen Flügel ab) Drollig, um Agathen zu trösten, wagtest du den Schuss, sie zu erwerben, fehlt es dir an Herzhaftigkeit. Das würde sich das Wachspüppchen, das mich um deinetwillen verwarf, schwerlich einbilden! (für sich) Es soll gerächt werden! -

MAX:
Elender! Mut hab' ich.

KASPAR:
So bewähr' ihn! Brauchtest du schon eine Freikugel, so ist's ja ein Kinderspiel, welche zu gießen. Was dir bevorsteht ohne diese Hülfe, kannst du aus deinen bisherigen Fehlschüssen leicht abnehmen. Das Mädchen ist auf dich versessen, kann nicht ohne dich leben. Sie wird verzweifeln, du wirst, allen Menschen ein Spott, herumschleichen, vielleicht aus Verzweiflung - (drückt sich die Faust in die Augen) Schäme dich, rauher Waidmann, dass du ihn mehr liebst, als er sich selbst! (für sich) Hilf zu, Samiel!

MAX:
Agathe sterben! Ich in einen Abgrund springen!
- Ja, das wäre das Ende - (gibt Kaspar die Hand) Bei Agathens Leben - ich komme!

SAMIEL erscheint, nickt und verschwindet

KASPAR:
Schweig' gegen jedermann, es könnte dir und mir Gefahr bringen. Ich erwarte dich. Glock zwölf!

MAX:
Ich dich verraten? Glock zwölf! Ich komme!

MAX schnell ab nach links